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Teure GesetzeslückeDer große Betrug mit der Ökosteuer

Der Bundesrechnungshof deckt einen Trick auf, mit dem Firmen die Ökosteuer systematisch umgehen. Dem Fiskus entgeht so jährlich eine halbe Milliarde Euro.

Nur wer wirklich produziert, darf Ökosteuer sparen: Zucker- und Papierfabrik in Niederbayern. Bild: dpa

Eine eigenwillige Regelung im Ökosteuergesetz fällt gerade dem Finanzministerium auf die Füße: Weil produzierenden Betrieben die Ökosteuer großteils erlassen wird, Dienstleistern hingegen nicht, gründen deutsche Unternehmen zunehmend eigene Gesellschaften, denen sie ihre Energieversorgung übertragen. Denn Energieversorger gelten als produzierendes Gewerbe.

Wird also zum Beispiel die Wärmeversorgung eines Hotels als separate GmbH geführt, kommt sie damit - anders als das Hotel selbst - in den Genuss der Subventionen. Nach Zahlen des Bundesrechnungshofs bescheren solche Konstruktionen dem Staatshaushalt inzwischen Mindereinnahmen von mindestens 500 Millionen Euro jährlich.

Die unternehmerische Ausgliederung der Energieversorgung ist dabei gar nicht so weit hergeholt, wie es zunächst scheint. Unter dem Namen Contracting ist das Verfahren auch unabhängig von den steuerlichen Anreizen bei vielen Betrieben beliebt. Vor allem Unternehmen, die neben Strom und Raumwärme auch noch Kälte oder Prozessdampf benötigen, übertragen ihre gesamte Energieversorgung gerne an einen externen Dienstleister. Auch in kommunalen Gebäuden wird das Contracting eingesetzt, weil sich damit die Heizkosten senken lassen - oft sogar ohne Investitionen.

Das Prinzip: Der sogenannte Contractor investiert auf eigene Rechnung in die Heizungsanlagen, die ihm auf fremdem Grundstück dann auch gehören. Er übernimmt zugleich die Beschaffung des Brennstoffs, wartet die Technik - und verkauft am Ende schlicht die Wärme an den Kunden vor Ort. Weil die Anbieter vom Fach sind, können sie ihre Kunden häufig effizienter und damit kostengünstiger mit Nutzenergie versorgen, als wenn die Energieverbraucher die Anlagen selbst betreiben würden. Der Steuerbonus wurde dann in jüngster Zeit zu einem willkommenen Bonbon obendrauf. Der Bundesrechnungshof fürchtet nun, dass künftig alle mittelständischen und großen Unternehmen auf diese Weise die Steuersubventionen abschöpfen könnten. Damit würden dann kleine Firmen und die Privathaushalte die Ökosteuer weitestgehend alleine tragen.

Um das jedoch zu verhindern, will das Finanzministerium das Gesetz in den kommenden Monaten ändern. An der grundsätzlichen Subventionierung bestimmter Unternehmen bei der Ökosteuer will das Ministerium jedoch festhalten: Der Steuervorteil soll den Contractoren nur noch gewährt werden, wenn deren Kunde ein Unternehmen des produzierendes Gewerbes ist. Dann kann eine Backstube subventionierte Wärme beziehen, das Bäckereifachgeschäft hingegen nicht. So deutet wenig darauf hin, dass die Regelung in Zukunft einfacher werden könnte.

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8 Kommentare

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  • C
    cycodead

    zur moral:

    also wenn ich marx nach Heinrich: "Kritik der politischen Ökonomie. Eine Einführung." richtig verstanden habe, muss jeder konkurrent jede möglichkeit nutzen die sich ihm bietet weil sonst nur andere den vorteil haben und er pleite macht.

     

    zur rente:

    die ökosteuer geht in die rente. genau. das ist der elegante weg lohnarbeit von den sozialen kosten die eine gesellschaft produziert zu befreien und sie statt dessen von allen finanzieren zu lassen die energie verbrauchen ergo von allen.

    soweit die theorie aber sicher ein ausbaufähiger ansatz und alles andere als in bausch und bogen zu verdammen.

  • C
    chrischan

    Genauso funktioniert das bei Mietwohnungen. Hier trägt dann der Mieter über die Nebenkostenabrechnung die Investkosten für die Heizung, wenn ein Contractor die Wärme verkauft. Im anderen Fall muss der Vermieter diese Kosten für einen neuen Kessel tragen.

  • RK
    Rüdiger Kalupner

    Kommentator alcibiades hat völlig recht. Doch um zu tun, was er empfiehlt 'das Privileg für das produzierende Gewerbe' abzugeschaffen, muß man es i.S. machtpolitischer Realität auch tun können, d.h. man muß die absolutistische Macht des 2%Wachstumszwang-Regime der KAPITALSTOCKMAXIMIERER stürzen wollen u n d über den Geniepunkt im System auch real ausführen können.

     

    Es ist wie vor dem 17.6. 1789 in Paris, als dem 3. Stand wegen der Machterhalttricks des Königs der Kragen platzte, und deren Mitglieder sich zur National- und Verfassungsgebenden Versammlung machten. Aus der Steuerreform wurde eine Verfassungsreform. Erst mit der Französischen Revolution brach das produktivere NEUE sich seine Bahn.

     

    Zu diesem Ordnungssprung wird es auch in Deutschland via revolutionären Tipping-Punkt-Entscheid kommen. Der geheim-organisierte 2%Wachstumszwang-Absolutist ist mit seinem Machterhaltlatein schon längst am Ende. Wir Außenstehenden haben es nur noch nicht erfasst - und der hinreichende Erkenntnisstand über die nachfolgende Weltordnung des KREATIVEN Akzelerationswegs ist auch noch nicht öffentlich. Aber der Tag X für die Diskussion der Heureka!-Erkenntnisse für den Sprung in die produktivere neue Ordnung des menschlichen Fortschritts ist nicht mehr weit weg.

  • F
    Fliege

    Allein die Ökosteuer ist doch schon Betrug. Die Steuer wurde doch nur eingeführt, um in die Rentenversicherungskasse einzufliessen.

    Aber so ist das hier. Die Politik führt eine neue Steuer ein und interessiert sich nicht, wie die Bürger/Unternehmer es bezahlen sollen.

  • AB
    Adrian Bernhard

    Das sagt viel über die Ehrlichkeit deutscher Unternehmer. Aber über eine solche Art des Schmarotzertums regt dich Herr Westerwelle nicht auf.

  • JK
    Juergen K

    Cross over deals, die zweite.

  • TG
    Timo Grassi

    Tja, wenn wundert es noch?

     

    Es ist immer das gleiche Prinzip, das die Politik seit Menschengedenken verfolgt:

     

    Zuerst dem Volk ein wenig aufs Maul geschaut, eine Gutmenschenparole zum Wahlkampf medienwirksam verkauft und noch eben ein schnelles Gesetz schlampig zusammengeschustert.

     

    Über das, was am Ende dabei herauskommt, machen sich leider nur die wenigsten und wenn überhaupt, dann viel zu spät Gedanken.

     

    So zerstört man effektiv die Zukunft der nachfolgenden Generationen.

  • A
    alcibiades

    Dann wird das Privileg für das produzierende Gewerbe halt abgeschafft, wo ist das Problem? Diese Regelung ist - abgesehen davon, dass sie ein Steuerschlupfloch darstellt - ungerecht und auch nicht im Sinne der Umwelt. Denn eigentlich sollte die Ökosteuer doch zum Energiesparen anregen, weiss das noch jemand?