Terrorwarnung in Deutschland: Behörden fürchten Anschläge
Nach Veröffentlichung zweier Drohvideos warnen Sicherheitsbehörden vor Terroranschlägen auf Deutschland. Terroristen könnten so probieren, den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu erzwingen.
![](https://taz.de/picture/363298/14/terror_b.jpg)
BERLIN dpa/ap/taz Die Gefahr islamistischer Anschläge in Deutschland oder gegen Deutsche im Ausland ist in der Einschätzung der Sicherheitsbehörden gestiegen. Attentäter könnten versuchen, ähnlich wie in Spanien im Jahr 2004 mit Anschlägen den Ausgang der Wahl zu beeinflussen, sagte der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Zierke. Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm bezeichnete die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags als außerordentlich hoch. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte weiter, Deutschland werde sich nicht einschüchtern oder erpressen lassen. Das berichteten am Wochenende Bild am Sonntag und das Magazin Focus.
Kurz nach den verheerenden Terroranschlägen auf vier Madrider Pendlerzüge am 11. März 2004 hatten in Spanien die Wahlen zu einem Regierungswechsel geführt, und die neue Regierung hatte die spanischen Truppen dann aus dem Irak zurückgezogen. Bei den Anschlägen waren 191 Menschen getötet und mehr als 1.800 verletzt worden.
Möglicherweise könnten Islamisten eine ähnliche Strategie in Deutschland verfolgen, um so den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan zu erzwingen. Dagegen spricht: Der Regierungswechsel in Spanien war keine unmittelbare Folge der Anschläge. Ausschlaggebend war der Versuch der Regierung, für die Anschläge vorschnell die baskischen Separatisten von der ETA verantwortlich zu machen.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Sonntag der taz: "Im Januar hat sich gezeigt: Terroristische Gruppen wie al-Qaida registrieren deutsche Politik und beziehen sich konkret auf hier laufende und anstehende Ereignisse. Das stellt eine neue Qualität der Bedrohung dar." Als Beleg verwies er auf zwei kürzlich aufgetauchte Videobotschaften: "Sie beziehen sich in deutscher Sprache sehr explizit auf Deutschland und sind teils professionell produziert."
Mitte Januar war ein Video mit dem Titel "Das Rettungspaket für Deutschland" bekannt geworden, in dem der Sprecher - vermutlich ein gebürtiger Marokkaner namens Bekkay Harrach, der in Koblenz studierte - in fast akzentfreiem Deutsch mit Anschlägen in Deutschland droht. Wenige Tage später folgte ein Video der Islamischen Dschihad-Union (IJU), aus dem die ARD zitierte: "In diesem Jahr haben wir ein paar Überraschungspakete an die Besatzungsmächte vorbereitet. Denn der Verbündete der Besatzungsmächte muss immer mit unseren Angriffen rechnen."
Ziercke hält zum Islam konvertierte Radikale aus Deutschland für besonders gefährlich: "Sie kennen die deutsche Infrastruktur, sind gesellschaftlich integriert und fallen aufgrund ihres Aussehens kaum auf."
Nach Einschätzung des Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Linken, Oskar Lafontaine, hat die Bundesregierung mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan "den Terror ins eigene Land" geholt. Nur "die Abkehr von militärischer Gewalt" könne diese Entwicklung stoppen.
Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler kann Anhaltspunkte für konkrete Anschlagspläne nicht erkennen. "Die aktuellen Informationen sind eine Bestätigung für die schon länger existierende Tatsache, dass wir es mit einer allgemeinen Bedrohungslage zu tun haben", zitiert die Lausitzer Rundschau Stadler, der gegenwärtig den Vorsitz des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages innehat.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
80 Jahre nach der Bombardierung
Neonazidemo läuft durch Dresden
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen