Terrorismusgefahr in den USA: Zu viele Sicherheitslücken
Die Opposition in den USA kritisiert ihren Präsident Barack Obama. Er nehme die Terrorgefahr nicht ernst genug. Sicherheitsvorkehrungen würden zu spät kommen.
NEW YORK taz | Barack Obama ist für seine Coolness bekannt, es heißt, sie sei einer der Gründe für seine Popularität. Am Sonntag legte er wieder einmal diese Gelassenheit an den Tag, vielleicht sogar mehr davon, als ihm politisch gut bekommt. Nachdem er an seinem Urlaubsort in der Nähe von Honolulu über den versuchten Terroranschlag auf ein Passagierflugzeug im Anflug nach Detroit unterrichtet wurde, ging Obama erst einmal Golf spielen. Danach ging es dann mit der Familie an den Strand.
Zuhause auf dem amerikanischen Festland hatten derweil seine Mitarbeiter alle Hände voll damit zu tun, zu erklären, wie es passieren konnte, dass der Attentäter Faruk Abdulmutallab mit Sprengstoff am Leib von Lagos nach Michigan reisen konnte. Die Ministerin für Heimatschutz, Janet Napolitano, und der Pressesprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, versuchten sichtlich schwitzend dem Fernsehpublikum zu versichern, dass das Terrorschutzsystem in den USA intakt ist: "Das System hat sehr reibungslos funktioniert in den vergangenen Tagen", sagte Napolitano im Interview mit dem Nachrichtensender ABC.
Überzeugend klang das nicht. Der Fall Abdulmutallab hat zu viele Fragen aufgeworfen. Neben der Tatsache, wie er mit dem Sprengstoff am Leib an Bord gelangte, möchte man wissen, wie es sein konnte, dass er ungehindert reisen konnte, obwohl er auf einer "Beobachtungsliste" der Regierung stand. Zudem hatte der Vater des Attentäters erst vor wenigen Wochen die amerikanische Botschaft in Nigeria informiert. Er befürchte, so Umar Abdulmuttalab, sein Sohn könnte sich zu einer terroristischen Gewalttat hinreißen lassen.
Angesichts dieser Tatsachen klangen die Versicherungen von Napolitano und Gibbs eher hohl. Und die Opposition in Washington zögerte keinen Augenblick, massiv darauf hinzuweisen. Der republikanische Abgeordnete Peter Hoekstra forderte, man müsse das Weiße Haus in vollem Umfang für den Vorfall zur Rechenschaft ziehen. Er könne nicht verstehen, warum nach den Anrufen des Vaters niemand den Attentäter genauer überprüft habe. Sein Kollege Peter King stimmte ein: "Das System hat nicht funktioniert", erklärte er kategorisch. "Der Präsident muss sich jetzt zeigen und zugeben, wie tödlich die Feinde Amerikas sind, und uns versichern, dass alles unternommen wird, Amerika zu beschützen."
Einstweilen wurden immerhin kurzfristig auf allen internationalen Flügen die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Es gab zusätzliche Leibesvisitationen an den Flugsteigen, gründlichere Durchsuchung der Taschen und Befragungen der Fluggäste. Während der letzten Stunde des Fluges dürfen die Passagiere nicht mehr aufstehen und auch keine Decken und Kissen mehr auf dem Schoß halten.
Für die Republikaner ist das freilich alles zu wenig und zu spät. Schon seit Obamas Amtsantritt behaupten sie, dass der neue Präsident die Terrorgefahr nicht ernst genug nehme. "Die Kritik war vorhersehbar", schrieb am Montag der Kommentator Earl Ofari Hutchinson auf der liberalen Website "Huffington Post". Die Konservativen, so Hutchinson, möchten unbedingt die Diskussion um die Schließung von Guantánamo am Leben erhalten.
Dieses Thema brachte am Montag der unabhängige Senator Joe Lieberman, der sich gerade erst in der Gesundheitsdebatte durch seine konservative Haltung hervorgetan hatte, wieder auf die Tagesordnung. Guantánamo müsse angesichts der neuen Entwicklungen bestehen bleiben, sagte Lieberman. Lieberman, der das Senatskomitee zum Heimatschutz leitet, setzte in seinem Fernsehinterview mit dem rechten Sender Fox die Obama-Regierung auch unter Druck, ihre Anti-Terror-Anstrengungen im Jemen zu verstärken. "Irak war der Krieg von gestern, Afghanistan ist der von heute, und wenn wir nicht mehr tun, dann wird Jemen der Krieg von morgen." Der Attentäter von Detroit verfügte, nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen, über Al-Qaida-Kontakte im Jemen.
Dass die Obama-Regierung über ein verstärktes Jemen-Engagement bislang eher stillgehalten hat, hatte zweifellos auch den Sinn, den politischen Druck in Richtung einer Eskalation zu vermeiden. Nun ist dank des Nigerianers Faruk Abdulmuttallab die Katze aus dem Sack. Lange wird Obama sich jetzt nicht mehr in Hawaii am Strand verstecken können.
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