Terrorexperte über Drohvideo: "Al-Qaida interessiert sich für uns"
Das Terrorvideo, in dem al-Qaida-Terroristen Deutschland bedrohen, sollte ernst genommen werden, meint Guido Steinberg, Nahost- und Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik.
taz: Herr Steinberg, wieder wird Deutschland in einem Terrorvideo bedroht. Ist das ein Grund zur Sorge?
Guido Steinberg: Man muss solche Videos zumindest sehr ernst nehmen. Sie sind schließlich Ausdruck eines Trends: Die Terrororganisation al-Qaida interessiert sich zunehmend für Deutschland, weil Deutschland Truppen in Afghanistan stationiert hat. Zudem macht der Sprecher des Videos, Abu Talha, deutschen Sicherheitsbehörden schon seit längerer Zeit Sorgen. Er wird dem Umfeld der Sauerland-Gruppe zugerechnet.
Aber er nimmt anfangs doch auf das erste wirtschaftliche Rettungspaket der Bundesregierung Bezug. Was hat das mit Afghanistan und deutschen Auslandseinsätzen zu tun?
Dem neutralen Beobachter mag das wirr erscheinen. Aber solche Videos sollen vor allem Zusammenhalt unter den Anhängern herstellen und eine bestimmte Interpretationsweise verbreiten. Wenn man den Inhalt des aktuellen Videos abgleicht mit dem, was Ussama Bin Laden letzte Woche von sich gegeben hat, ist eine gewisse innere Logik auffällig: Es geht darum, die Anhänger argumentativ aneinanderzuschweißen.
Kann es sich nicht auch ganz einfach um einen einzelnen Irren handeln?
Nein, und das ist gerade das Wichtige an diesem Video. Veröffentlicht wurde es von der Medienorganisation al-Qaidas, al-Sahab. Die hat in den letzten Jahren fast ausschließlich die großen Videos von Bin Laden und die seines Stellvertreters al-Sawahiri herausgebracht. Insofern ist das der erste Beleg für einen Deutschen aus dem Umfeld der Sauerland-Gruppe, der sich offiziell der Kernorganisation al-Qaida angeschlossen hat. Auffällig ist auch, dass sich das Video ausschließlich an uns richtet - was nahe legt, dass sich al-Qaida besonders intensiv mit Deutschland beschäftigt und wahrscheinlich mehr als ein deutscher Aktivist dahinter steht. Das alles verschärft die Bedrohungslage der Deutschen in Afghanistan.
Beobachten Sie ein Erstarken der Terrororganisation, nachdem sie durch den Afghanistankrieg nach 2001 geschwächt wurde?
Ja. Dieser Prozess ist seit dem Jahr 2005 ganz deutlich zu erkennen. Er ist daran gebunden, dass die Organisation mit Wasiristan im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet ein neues Trainingsgebiet hat, wo sich auch weiterhin alle wichtigen Funktionäre befinden, womöglich mit Ausnahme des absoluten Spitzenpersonals. Dort werden die Rekruten ausgebildet, und der pakistanische Staat hat die Kontrolle vollständig verloren. Das ermöglicht al-Qaida zunehmend neue Kooperationsmöglichkeiten. INTERVIEW: VEIT MEDICK
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