Terrordrohung in Ostafrika: Folter auf Verdacht
Somalias radikalislamische Schabab-Miliz droht mit Anschlägen in Uganda und Burundi. Die somalische Exilgemeinde in Uganda steht unter Generalverdacht.
Scharfschützen sind auf den Dächern der umliegenden Hotels postiert, als sich die somalische Exilgemeinde im Garten ihrer Botschaft trifft. Die heruntergekommene Villa liegt im Herzen der ugandischen Hauptstadt Kampala. Alte Männer in Turbanen und mit rot gefärbten Bärten sitzen auf Plastikstühlen, junge Somalis in Jeans hocken im Gras. Jeder kennt hier jeden. Doch offen geredet wird nur unter vier Augen. "Man weiß nie, wer von uns für die Terroristen arbeitet", murmelt Hassan Mohamud Ahmed, ein somalischer Journalist.
Vergangene Woche hatte die radikalislamische Schabab-Miliz, die Verbindungen zu al-Qaida haben soll, gedroht, Anschläge auf Kampala und die burundische Hauptstadt Bujumbura vorzubereiten. Uganda und Burundi stellen 4.300 Blauhelme der Afrikanischen Union (AU) in Mogadischu, die von den USA logistisch unterstützt werden.
Die Drohungen aus Somalia erreichten Uganda zu einer ungünstigen Zeit: Eben hatten sich afrikanische Staatschefs und Minister, UN-Delegationen und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen zum AU-Gipfel in Kampala eingefunden. Gerade hatte der Außenminister der somalischen Übergangsregierung, Ali Jama Ahmed, gefordert, die Einheiten der Friedensmission (Amison) auf 8.000 aufzustocken, um die Miliz zu entwaffnen.
Zugleich trainierten 550 US-Soldaten in der nordugandischen Provinzstadt Kitgum 650 AU-Blauhelme mit dem offiziellen Ziel, die Selbstverteidigung der afrikanischen Soldaten zu verbessern. Bei einem Anschlag auf das Amison-Hauptquartier in Mogadischu wurden im September 17 ugandische und burundische Soldaten getötet und 29 verwundet.
Die Drohungen wecken Erinnerungen an die Terroranschläge auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia 1998. Deswegen starten ugandische Sicherheitsbehörden eine Zwangsmaßnahme: Alle Somalis in Uganda müssen sich bei der Einwanderungsbehörde registrieren und erhalten einen speziellen Ausweis.
Auch der somalische Botschafter in Kampala, Sayid Ahmed Sheikh Dahir will sich einen Überblick über die rund 10.000 in Uganda lebenden Somalis verschaffen. Deswegen hat er alle in die Botschaft bestellt. "Wir müssen die Drohungen ernst nehmen und mit den ugandischen Behörden kooperieren", erklärt er.
Der somalische Staatsminister für Verteidigung, Jussuf Mohammed Siad, nickt zustimmend. Sein linkes Bein ist eingegipst, die Krücken an seinen Stuhl gelehnt. Er sagt kein Wort, denn neben ihm steht ein ugandischer Soldat, der ihm als Bodyguard zur Seite gestellt wurde.
Doch sein gebrochenes Bein ist Sinnbild für das, was den Somalis in Uganda drohen könnte, wenn sie keine Registrierung vorweisen: Siad besuchte vor wenigen Wochen seine in Kampala im Exil lebende Familie, ohne sich als Staatsgast offiziell angemeldet zu haben. Nach dem Abendgebet wurde er vor der Moschee von bewaffneten Männern in ein Auto gezerrt und in einer Verhörzelle übel zugerichtet.
"Wir hatten Hinweise, dass ein Somali mit bösen Absichten eingereist sei", erklärt Militärsprecher Felix Kulayigye und gibt zu: "Wir haben ihn nur zum Reden gezwungen." Sobald seine Identität bestätigt war, sei er in eine Klinik gebracht worden, sagt Kulayigye: "Unsere Regierung bezahlt die Behandlung."
Nicht alle Somalis in Uganda sind mit ihrer Übergangsregierung einverstanden. Und so herrscht auch Misstrauen innerhalb der somalischen Exilgemeinde. Ali Yasin, Korrespondent des somalischen Fernsehens, hockt im Kaffeehaus seinen Onkels in Kampalas Somali-Viertel Kiseny. Er ist nervös. Ständig bekommt er anonyme Drohanrufe und per E-Mail die Nachricht: "Wir wissen, wo du steckst, wir werden dich töten."
Seitdem schläft er jede Nacht woanders. "Wir haben Schabab-Spitzel in Uganda", nickt Yasin. Er sei vor der Miliz aus Somalia geflohen, jetzt hole ihn der Krieg in Kampala ein. Immer wieder blickt er sich um. Er fühlt sich beobachtet von seinen somalischen Landsleuten - und von den Ugandern.
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