Terroralarm in Berlin: „Noch viele Fragen offen“
Niklas Schrader (Linke) zur Räumung des Weihnachtsmarktes. Die Sicherheitsbehörden hätten große Angst, etwas falsch zu machen.
taz: Herr Schrader, am Samstag hat die Polizei den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz wegen Terrorverdachts räumen lassen. Wann sind Sie vom Innensenator informiert worden?
Niklas Schrader: Noch am selben Abend. Aber die vollständigen Informationen liegen mir noch nicht vor. Da sind schon noch einige Fragen offen.
Was ist Ihr Kenntnisstand?
Dass dort zwei Personen von der Polizei festgehalten worden sind, die sich verdächtig verhalten haben. Sie sollen weggelaufen sein bzw. sich schnell entfernt haben.
Die beiden sollen traditionelle Kleidung getragen haben, wie es Salafisten zum Teil tun.
Alleine, dass Menschen sich schnell bewegen und solche Kleidung tragen, stellt für mich keinen Anlass dar, einen Weihnachtsmarkt zu räumen. Dazu muss schon mehr vorliegen. Aber solange mir nicht alle Informationen vorliegen, kann ich das nicht bewerten. Der Vorgang insgesamt zeigt aber, dass die Sicherheitsbehörden große Angst haben, etwas falsch zu machen.
Wie meinen Sie das?
Denkbar ist, dass sie lieber einmal zu viel räumen, als sich hinterher dem Vorwurf auszusetzen, etwas falsch gemacht zu haben. Ob das am Samstag die richtige Entscheidung war, das ist für mich noch nicht geklärt.
(38) ist innenpolitischer Sprecher der Linkspartei im Berliner Abgeordnetenhaus
Eine Namensverwechselung hat dann zur Räumung geführt.
Das mit der Namensverwechselung kennt man ja schon von der Berliner Polizei. Auch im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf Ferat Kocak in Neukölln war das so.
Die beiden Personen sollen laut Medien von der Polizei vor Ort observiert worden sein.
Soweit ich weiß, handelte es sich um Zivilstreifen, die die beiden Personen auf dem Weihnachtsmarkt gesehen haben.
Hat die Polizei wachsam oder hysterisch reagiert?
Der Fall zeigt, dass die Polizei wachsam und vorsichtig ist. Vielleicht auch, dass sie übervorsichtig ist. Vor dem Hintergrund des Anschlags vor drei Jahren mag das verständlich sein. Aber solche Räumungen dürfen nicht zum Alltag werden. Auch das verstärkt die subjektive Angst vor Terror, die ja nicht unbedingt an eine tatsächliche Gefahr gebunden ist. Wir müssen das gründlich auswerten.
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