Tennet-Chef Hartman über Stromtrassen: „Netzausbau kostet Geld“

Der Netzbetreiber Tennet habe beim Bau der Suedlink-Trasse 90 Prozent der Änderungsvorschläge aufgenommen, sagt Geschäftsführer Lex Hartman.

Auf die Menschen zugegangen: Infomaterial von Tennet. Bild: dpa

taz: Herr Hartman, tun sich die Niederländer leichter mit dem Bau von Stromleitungen als die Deutschen?

Lex Hartman: Nein, aber auch nicht schwerer. Im Allgemeinen kann man sagen, dass die Menschen überall denselben Bedarf an Information und Mitbestimmung haben. Vor 30 Jahren war das anders. Da war der Wunsch nach Dialog deutlich schwächer.

Wie war die Stimmung auf den Planungskonferenzen, die Sie abgehalten haben?

Im Gegensatz zu vergangenen Jahrzehnten warten wir nicht auf das förmliche Beteiligungsverfahren, sondern gehen vorher auf die Menschen zu. Wir reden mit den Bürgern vor Ort, mit den Bürgerinitiativen, den Bürgermeistern und den Politikern. Wir haben so bei der Stromleitung Suedlink in den ersten Monaten über 3.000 Hinweise und Vorschläge bekommen, mehr als die Hälfte zur Trasse und zu konkreten Änderungen. Wir haben fast 90 Prozent davon in unsere Planungen aufgenommen und haben jetzt 98 Korridorvorschläge für Suedlink.

Wie gut ist dieses Angebot angenommen worden?

Sehr gut. Bei den 22 Info-Veranstaltungen der ersten Runde hatten wir rund 6.000 Besucher. Dazu kamen diejenigen, die uns über das Internet, per E-Mail, Post und Telefon Hinweise gegeben haben.

Um welche Themen ging es dabei?

Neben den konkreten Vorschlägen zum Trassenkorridor ging es vielen Bürgern um Umwelt- und Naturschutz, Erdverkabelung oder Gesundheitsaspekte – und auch die Frage, ob die Leitung überhaupt notwendig ist.

58, ist Geschäftsführer bei der niederländischen Stromnetzgesellschaft Tennet, die die bis 2022 die rund 800 Kilometer lange Stromtrasse "Suedlink" bauen möchte.

Gibt es noch größere Hindernisse auszuräumen bei der Trassenplanung?

Wir stehen jetzt erst vor der Bundesfachplanung – das ähnelt dem bekannten Raumordnungsverfahren. Da wird der Korridor festgelegt, in dem später die Leitung verläuft: Wie weit bleiben wir von Siedlungen weg, wie schonen wir die Natur? Wie können wir sie mit anderer Infrastruktur bündeln – etwa weiteren Stromleitungen oder Autobahnen?

Das kann teuer werden ...

Es ist teuer, aber wir reden hier über Infrastruktur und nicht über die Subventionierung von Strom. Netzausbau kostet Geld, aber im Vergleich mit den Gesamtkosten der Energiewende und der Subventionierung von Sonne- und Windenergie, die wir zu Recht betreiben, ist das überschaubar.

Können Sie das beziffern?

Für Suedlink rechnen wir mit etwa zwei bis drei Milliarden Euro an Investitionen. Diese Leitung wird aber für viele Jahrzehnte Strom transportieren. Den erneuerbaren Strom dagegen subventionieren wir in Deutschland mit fast zwei Milliarden Euro pro Monat.

Wie kommen Sie mit dem Anschluss der Offshore-Windparks hinterher?

Eigentlich gut.

Der Windparkbetreiber Vattenfall hat kritisiert, die Anschlüsse würden nicht dort gebaut, wo die Offshore-Windparks tatsächlich errichtet werden. Stimmt das?

Vor zwei Jahren waren verspätete Anschlüsse ein Thema. Das hatte mit der damaligen Gesetzeslage zu tun. Außerdem gibt es jetzt einen Netzentwicklungsplan, der bewirkt, dass die Aktivitäten in Zukunft aufeinander abgestimmt werden. Wir stehen aber vor dem Problem, dass die Anschlusskapazität von 7,1 Gigawatt, die wir gerade schaffen, doppelt so groß ist wie die Leistung der Windparks, bei denen eine Investitionsentscheidung vorliegt.

Aber jetzt geht es doch erst so richtig los mit dem Bau der Offshore-Windparks.

Die Fakten sprechen eine andere Sprache. Allerdings gilt das neue EEG, das wieder attraktive Konditionen für Offshore-Windparks bietet, auch erst seit August. Die große Frage ist: Werden nun die Investitionen kommen?

Könnte es sein, dass Investoren abgeschreckt sind, weil der Anschluss der Parks an das Stromnetz nicht klappt? Bard 1 ist seit März vom Netz, weil die Umspannstation Borwin 1 nicht funktioniert.

Solche Argumente höre ich seit mehr als zwei Jahren und jedes Mal wird eine andere Begründung angeführt. Bei Borwin 1 handelt es sich nicht um ein Problem der Konverterstation, sondern des Zusammenspiels von Offshore-Windpark und Netzanbindungssystem. Deshalb gibt es auch eine gemeinsame Taskforce von Tennet, dem Windpark und dem Hersteller ABB, in der wir gemeinsam den Fehler suchen. Das ist kein Problem von Tennet alleine.

Sind die technischen Probleme ausgeräumt?

Eine weitere Konverterstation, Helwin 1, läuft seit Anfang September ohne Probleme. Die Kombination von Gleichstromleitungen mit Windparks auf dem Meer ist neu. Normalerweise wird zuerst eine Pilotanlage gebaut, aber wir bauen aus unserer gesetzlichen Verpflichtung heraus gleich neun Anlagen auf einmal, weil es wegen der Energiewende hieß: Wir haben keine Zeit. Dass es da ab und zu mal eine Herausforderung gibt, mit der wir zurecht kommen müssen, war zu erwarten.

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