Tempelhof: Juristen beim Landeversuch
Könnte Tempelhof auch nach Öffnung des BBI in Schönefeld Flughafen bleiben? Im Verkehrsausschuss prallen die Rechtsauffassungen aufeinander.
Als Elmar Giemulla redet, lauscht die Verkehrssenatorin mit eiserner Miene. Ein Wunder ist das nicht. Giemulla, Professor am Institut für Luft- und Raumfahrt an der Technischen Uni, schießt frontal gegen die Tempelhof-Strategie des rot-roten Senats: Ein Weiterbetrieb des innerstädtischen Airports ist juristisch machbar - und gefährdet keinesfalls den Bau des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg International (BBI). So lautet Giemullas Auffassung, die er gestern bei einer Expertenanhörung im Verkehrsausschuss vortrug. Die Sitzung behandelte offiziell das Volksbegehren gegen die Stilllegung (siehe Kasten) - doch so ganz nebenbei kam es zum Fight der Juristen.
Denn der Luftfahrtexperte sucht ein Kernargument des rot-roten Senats zu entkräften. Dieser will Tempelhof im Herbst 2008 einmotten. Die Schließung drei Jahre vor Inbetriebnahme des BBI sei "eine eindeutige Rechtsverletzung", so Giemulla. Sein Argument: Während einige der Tempelhof-Airlines zum stadtnahen Flughafen Tegel umgesiedelt werden, müssten andere "auf die Baustelle" Schönefeld. "Man verlangt ihnen ein Sonderopfer ab. Das ist verfassungswidrig."
Der Senat hatte die geplante Stilllegung immer mit dem Planfeststellungsbeschluss für den BBI begründet - dieser sei gefährdet, sobald das Land die Flughäfen in der Stadt weiterbetreiben würde, so die Logik. Doch Giemulla hält selbst den Weiterbetrieb nach dem BBI-Öffnungsdatum für möglich: "Wenn Tempelhof zum Beispiel die Nische Geschäftsfliegerei besetzt, kann keiner ernsthaft behaupten, das gefährde das Ziel BBI." Zudem habe die Landesplanung nicht das Ziel, Flughäfen zu schließen, so der Luftfahrtexperte weiter. Und die Anwohner hätten im Falle des Weiterbetriebs auch keinen Grund zu Klage: "Sie sind jahrzehntelang belastet worden, sie würden durch weniger Verkehr ja entlastet."
Doch nicht nur die Tempelhof-Fans - anwesend waren auch Vertreter der Industrie- und Handelskammer und der Volksbegehren-Initiative - schickten Juristen ins Rennen. Klaus-Martin Groth, Rechtsanwalt und einst Richter am Landesverfassungsgericht, lieferte dem Senat und den Nachnutzungsinitiativen Munition. Das zentrale Argument für die Schließung sei der Umwelt- und Gesundheitsschutz der Bevölkerung, argumentierte er. "Allein die Lärmentlastung verbessert die tägliche Lebensqualität von 40.600 Menschen", so Groth. "Nur weil die Anwohner in Neukölln und Tempelhof den Lärm gewohnt sind, ist er nicht weniger oder erträglicher."
Diese Argumentation - man schließt zwei innerstädtische Airports zugunsten des Großflughafens vor der Stadt - ziehe sich durch alle Abwägungsentscheidungen und Landespläne, die inzwischen juristisch abgesegnet seien. "Wir hätten Schönefeld gar nicht ausbauen dürfen, wenn wir Tempelhof nicht schließen würden." Für das Anliegen von CDU, IHK und Volksbegehreninitiatoren fand Groth deutliche Worte: "Was hier passiert, ist Vergangenheitsbewältigung." Diese Diagnose stützt ein nicht unwesentliches Detail: Den ersten Beschluss zum Schönefeld-Ausbau - einschließlich der Tempelhof-Stilllegung - haben Eberhard Diepgen, Exregierender, und Volker Hassemer, Exstadtentwicklungssenator, unterschrieben. Beide sind Mitglieder ebenjener CDU, die sich heute vehement gegen die Abmeldung stemmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!