Telefondatenspeicherung: Abstimmung sofort - Gutachten später
Der Bundestag will auch ohne einen Erfahrungsbericht über die Zwangsspeicherung und Nutzung der Telekom-Verbindungsdaten abstimmen.
FREIBURG taz Die große Koalition kann es kaum erwarten, endlich die Vorratsdatenspeicherung zu beschließen. Obwohl den Abgeordneten ein grundlegendes Gutachten vorenthalten wird, soll die Abstimmung im Bundestag wie geplant am Freitag stattfinden. Ein Vertagungsantrag der Grünen wurde am Mittwoch nur von FDP und Linken unterstützt.
Das Gutachten des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafecht geht auf einen Auftrag des Bundestags aus dem Jahr 2004 zurück. Die rund 400 Seiten starke Expertise liegt zwar dem Justizministerium vor, wird dort aber noch geprüft. Die Freiburger Wissenschaftler beschreiben, wie die Polizei bisher mit Telekom-Verbindungsdaten ("wer spricht mit wem wie lange") umgeht. 2004 hat den Bundestag das noch interessiert. Die Befugnis, solche Verbindungsdaten für Fahndungszwecke zu nutzen, wurde deshalb bis Ende 2007 befristet und ein Erfahrungsbericht eingefordert. Am Freitag soll die Befugnis nun entfristet werden, ohne Erfahrungsbericht. Darüberhinaus will der Bundestag sogar eine Vorratsdatenspeicherung einführen, damit die Verbindungsdaten stets sechs Monate vorliegen - auch wenn sie zu Abrechnungszwecken nicht benötigt werden.
"Wenn der Bundestag sich selbst ernst nimmt, kann er erst über den Gesetzentwurf abstimmen, wenn ihm dieses Gutachten vorliegt", argumentierte gestern Jerzy Montag, der rechtspolitische Sprecher der Grünen. Doch CDU/CSU und SPD schmetterten den Antrag ab. "Wir werden das Gutachten gründlich prüfen, sobald es vorliegt", sagte Joachim Stünker, sein Pendant von der SPD. "Sollte sich dann Handlungsbedarf ergeben, werden wir handeln, das sage ich Ihnen zu", erklärte Stünker auf Nachfrage der taz.
Am Dienstagabend haben bundesweit in rund 40 Städten mehr als 10 000 Menschen gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung demonstriert. Das erklärte der AK Vorratsdatenspeicherung, in dem sich Bürgerrechtsgruppen zusammengeschlossen haben.
Während Anwalts- Ärzte- und Journalisten-Verbände den Gesetzentwurf kritisiert hatten, hält ihn der Deutsche Richterbund für "akzeptabel".
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