■ Telefon-Informationsdienste: Die neue Art der Versuchung: Der Trick mit der Doppelnull
Berlin (taz) – Einsam und allein? Das muß nicht sein, wählst Du flugs die Party-Line. Vielleicht steht der Sinn aber auch nach einem kleinen Spielchen, oder es gelüstet nach neuester Information, was Michael Jackson oder der FC Bayern München momentan so treiben – kein Problem in telekommunikativer Zeit. Ob in der Zeitung oder auf dem Bildschirm, überall finden sich die Telefonnummern, die mit „tollen Leuten“, mit neuen Partnern, Lieblingsstars oder dem Glück verbinden.
Wer nun begeistert zum Hörer greift, um sich mit etwas Geplauder die Zeit zu vertreiben, erlebt häufig sein blaues Wunder – spätestens wenn die nächste Telefonrechnung ins Haus kommt. Viele der Telefonnummern sind Anschlüsse auf den Karibikinseln, in Südostasien oder in Australien.
Diese Art der Versuchung hat mittlerweile solche Kreise gezogen, daß sich die Telekom genötigt sah, eine Aufklärungskampagne zu starten. Broschüren, den Telefonrechnungen beigelegt, warnen mit Hinweis auf den Geldbeutel vor jenen Informationsdiensten im Ausland. Gleichzeitig werden Schutzvorrichtungen wie Gebührenzähler oder versiegelte Telefone angeboten.
Auch wenn diese Vorrichtungen in erster Linie verhindern sollen, daß Kinder ihre Langeweile mit dem Telefonhörer in der Hand bekämpfen, ist der Verlockung eines Flirts oder eines Gewinns am Telefon keine Altersgrenze gesetzt. Viele Anzeigen der Anbieter sind so gestaltet, daß auf den ersten Blick der Eindruck entsteht, es handele sich um gebührenfreie Anschlüsse. Der einfachste Trick dabei ist immer noch die Trennung des internationalen Codes (die Doppel-00) mit Hilfe eines Trennungsstriches. Zwar ist die Gebühr für eine Minute Blabla in mikroskopischer Schrift in die Ecken der Anzeigen gequetscht – doch werden diese Hinweise angesichts der Verheißung am anderen Ende der Leitung gern übersehen.
Mit einem bemerkenswerten Köder ging vor einigen Wochen im Rhein-Main-Gebiet ein Betreiber auf Kundenfang, der seinen Anschluß auf den Niederländischen Antillen eingerichtet hat. Mit einer Wurfsendung, die den Mitteilungen der Deutschen Lotto-Gesellschaft täuschend ähnlich sah, wurde zur Teilnahme am Telefonspiel „Glücksrad“ aufgefordert. Die internationale Vorwahl war etlichen Teilnehmern nicht abschreckend genug, ihr Glück auf die Probe stellen zu wollen. Bei Telekom Frankfurt meldete sich ein Mann aus Mannheim, der das profane „Stop“ und „Go“ fast sieben Stunden am Stück durchgehalten haben wollte. Es ist nicht bekannt, ob er nach diesem Marathon ein neues Ohrwaschl brauchte, sicher ist nur, daß ihn der Spaß mehr als 1.000 Mark kostet.
Der Zorn der geprellten Teilnehmer richtet sich auch gegen die Telekom, der aber nach Angaben ihrer Pressestelle in Bonn eine Zensur dieser Anbieter aus technischen Gründen nicht möglich ist. Ein arger Dorn im Auge der deutschen Telefongesellschaft ist die Zunahme dieser Art von Auslandsgesprächen sowieso nicht. Bei Auslandsverbindungen teilen sich die beteiligten Telefongesellschaften die Gebühren. Die Anbieterfirmen erhalten davon jenen Anteil, den sie mit den nationalen Gesellschaften aushandeln.
Telekom-Pressesprecher Wahrnke ist überzeugt, daß die ausländischen Anbieterfirmen bald Probleme haben werden, sich zu vermarkten. Die Aussicht auf die schnelle Mark läßt mittlerweile auch in Deutschland die Info-Lines aus dem Boden sprießen. Die haben wenigstens den Vorteil, daß man als Teilnehmer nur mehr 1,15 Mark anstatt 3,22 Mark für eine Minute laue Luft bezahlen muß. Christian Riethmüller
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