Teilchenbeschleuniger macht Pause: Die Angst vorm schwarzen Loch
Der Teilchenbeschleuniger des CERN erzeugt bei vielen die Furcht, die Welt könnte verschwinden. Zur Freude dieser Skeptiker muss das Gerät wieder abgeschaltet werden.
Manchem macht es Angst, das im allgemeinen Sprachgebrauch als CERN bekannte Forschungszentrum bei Genf. Dessen Teilchenbeschleuniger könne schwarze Löcher hervorrufen, in denen die ganze Welt verschwindet, fürchtet eine in Zürich lebende Deutsche. Sie klagte vor dem Bundesverfassungsgericht. Und scheiterte. Ein klein wenig aufatmen kann sie trotzdem: Wie britische Medien gestern vermeldeten, wird der Teilchenbeschleuniger Ende 2011 für ein Jahr abgeschaltet, um einige Verbesserungen vorzunehmen. Und bis dahin läuft er nur mit halber Energie.
Die Frau aus Zürich sah ihr Grundrecht auf Leben und körperliche Unverletztheit verletzt. Mit ihr gibt es viele andere, auch Physiker, die im Internet und in Büchern die Ängste bezüglich des Large Hadron Colliders schüren. Sie erliegen irrationalen Befürchtungen angesichts der Grenzen des menschlichen Vorstellungsvermögens.
Der im CERN stehende Large Hadron Collider beschleunigt Elementarteilchen auf sehr hohe Geschwindigkeiten, um sie dann kontrolliert aufeinanderprallen zu lassen und die Trümmer zu untersuchen. Je höher die dabei verwendete Energie, desto kleiner natürlich die Trümmer. Die Forscher hoffen, das Verhalten der bekannten Teilchen bei kleineren als den bislang erforschten Abständen genauer studieren zu können. Größte Freude würde aber auch die Detektion eines Higgs-Bosons auslösen. Es ist das letzte bislang nie gesehene Teilchen des Standardmodells. Das Standardmodell ist jene Theorie, die seit Jahrzehnten alle je beobachteten Phänomene der Physik erklärt, und gilt deshalb zu Recht als aktuelle Weltformel. Wie bisher jede andere in der Geschichte der Wissenschaft wird sie einen begrenzten Gültigkeitsbereich haben. Diese Grenze würden die Forscher auch gern sehen, etwa in Form neuer Teilchen.
Jahrgang 1963, studierte Physik und promovierte über die Theorie des Higgs-Bosons. Er forschte u. a. am CERN. Seit 1994 ist er freier Schriftsteller. Zuletzt erschien sein Roman "Die Entdeckung des Lichts", der anhand von Michael Faradays Leben die Geschichte der ersten Weltformel zur Zeit der Industrialisierung erzählt.
Die CERN-Gegner fürchten nun schwarze Löcher. Ein solches Loch ist ein sehr eigenartiges Ding. Grob gesprochen kann es entstehen, wenn man Materie derart komprimiert, dass sie aus Gründen der Gravitation in sich zusammenfällt, wobei die Dichte und damit die Gravitation ins Unendliche gehen. Es ist dann ein Rand, an dem Raum und Zeit aufhören. Daher hat es Ähnlichkeit mit dem Urknall.
Sich das Ende der Raumzeit vorzustellen bereitet im ersten Moment meistens Schwierigkeiten, weil man den Raum und die Zeit als gegeben annimmt, wie es vor den Entdeckungen Albert Einsteins der Fall war und im Alltag auch vernünftig ist. Wer einem schwarzen Loch zu nahe kommt, stürzt jedenfalls tatsächlich hinein und fällt aus der Welt! Allerdings finden die im CERN künstlich hergestellten Kollisionen in jedem Sekundenbruchteil und überall in der Welt auch so statt. Das CERN stellt diese nur eben in einem tonnenschweren Detektor mit angeschlossenem Rechenzentrum - beziehungsweise Grid - her.
Das Missverständnis liegt hier wohl in der Formulierung der gewaltigen Energien beziehungsweise Geschwindigkeiten, unter denen die Teilchen kollidieren. Sie sind nämlich sehr klein, diese Teilchen, es sind für sie gewaltige Energien, nicht etwa für den Kosmos. Der Strom zur Beschleunigung wird natürlich mit ganz normalen Kraftwerken hergestellt. Gemessen an Kollisionen irgendwo im Weltall stellen jene im CERN keine Sensation dar. Mehr noch: Im Zusammenspiel beliebiger Materieteilchen finden sie auch statt, kurzfristig auch in Ihrem Körper, während Sie diesen Text lesen.
Die Welt wäre also längst weg, bestünde das Problem tatsächlich. Es wird ja nicht eine neue Natur im CERN erfunden. Die vorhandene wird nur erforscht.
Und dass man dem Urknall nahekommt, ist auch nur bedingt richtig. Denn wie nahe genau kommt man ihm denn? Näher als bisher, okay. Um ihn tatsächlich zu simulieren, müsste man Teilchen so arg zusammenpressen, dass ihr Abstand null beträgt. Doch die Energie ist umgekehrt proportional zum Abstand - man bräuchte unendlich viel Energie. Spätestens hier ist das Ende der Theorie erreicht, denn unendliche Energie existiert nicht.
Unendlich viel Energie wenden lediglich die Antragsteller der Forschungsinstitute und deren PR-Abteilungen auf, um ihre Projekte bei Politikern und Öffentlichkeit so populär wie möglich zu machen. Indem sie selbst vom "Urknall" und anderen Superlativen schreiben, schüren sie den Hype. Denn so kommen die Institute leichter an Forschungsgelder und die Wissenschaftler leichter in die Zeitung.
Leser*innenkommentare
hermenaut
Gast
"Wir sind invertierte Utopisten. Dies also das Grund-Dilemma unseres Zeitalters: Wir sind kleiner als wir selbst, nämlich unfähig, uns von dem von uns selbst Gemachten ein Bild zu machen. Insofern sind wir invertierte Utopisten: während Utopisten dasjenige, was sie sich vorstellen, nicht herstellen können, können wir uns dasjenige, was wir herstellen, nicht vorstellen."
Günther Anders
Martin
Gast
bei der kernkraft haben die zuständigen wissenschaftler anfangs auch immer gesagt, es bestünde keine gefahr. bei der gentechnik läuft es so ähnlich.
fakt ist: die physik ist längst nicht soweit, daß sie alles erklären kann und versteht. alles fußt lediglich auf theorien. es gibt keinen grund anzunehmen, daß der mensch die physik vom atom bis zum universum vollständig und korrekt ergründen können wird. es wird immer wieder neue erkenntnisse geben, welche frühere fehler korrigieren.
das läßt sich auch als laie feststellen.
und deshalb ist es nicht völlig abwegig, wenn man zweifelt.
Julian M.
Gast
Hmm, im Artikel wird auf "britische Medien" als Quelle der Information verwiesen. Ein kurzer Blick auf die offizielle LHC News Seite des CERN (http://lhc.web.cern.ch/lhc/News.htm) lässt, zumindest anhand der News Überschriften, keine aktuelle derartige Info erkennen. Ist es wirklich zuviel verlangt Quellen die sowieso nicht aus erster Hand stammen mit einer kurzen Internetrecherche zu überprüfen?
Hans Hanz
Gast
... und der Artikel klingt auch nur nach Gewissensberuhigung. Warum sollten die Bedenken so einfach aus der Welt zu schaffen sein, wenn eine Klage immerhin vor dem Bundesverfassungsgericht gehör findet....
Tsaimath
Gast
OH MEIN GOTT, soeben hat sich in meinem Körper ein schwarzes Loch gebildet!!!!!!!! WIR WERDEN ALLE STERBEN!!!
Hm ok, waren anscheinend doch nur die Bohnen von gestern abend die da was gebildet haben...
In meinen Augen war es mehr oder weniger zu erwarten das (wie bei nahezu jeder neuen Entwicklung) irgendwelche Menschen aufspringen und das "Neue" verteufeln
Boris
Gast
Endlich mal ein sachlicher Artikel zum Thema, der versucht die Thematik auch Laien verständlich zu machen.
Großen Dank an der Autor auch dafür, dass er die Nullaussage "fast mit Lichtgeschwindigkeit" unterlassen hat, die man sonst leider überall in verwandten Texten findet.
MontiBurns
Gast
na das sind doch mal Probleme im Angesicht von Hunger, Armut, Naturkatastrophen, Atombomben, Ressourcenausbeutung der Erde....
Gaddafi
Gast
Und wenn schon. Es betrifft ja erstmal nur die Schweiz.
MrHL
Gast
Als promovierter Physiker ist es mir unklar wie bei Teilchenkollisionen nahe der Lichtgeschwindigkeit "stationäre" schwarze Löcher entstehen sollen. Die Vorstellung mit "weiterhin aufhalten" und "irgendwann komplett" ist bei den Geschwindigkeiten und Zeitskalen der Prozesse esoterischer Mist, Entschuldigung. Prinzipiell ist es ein Problem dieser Art Kritik, dass Kritiker naive, bestenfalls populärwissenschaftliche Vorstellungen der Vorgänge im Weltbild ihrer alltäglichen Wahrnehmung (Längen und Zeiten) haben. "Echt" neutrale Gutachten kann es nicht geben, weil ein seriöses Gutachten Fachkompetenz voraussetzt und diese eben nur Physiker besitzen.
the_dude
Gast
Artikel 2:(2) des Grundgesetz lautet: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" nicht "körperliche Unverletztheit". Klingt auch doof, wenn jenes Recht dann auchnoch verletzt wird!
LHC is' voll OK
Gast
Der Artikel deutet an, dass der LHC aufgrund von Klagen der Skeptiker Ende 2011 vorübergehend abgeschaltet werden soll. Die Wahrheit ist einfach die, dass man den LHC Ende 2011 oder Anfang 2012 abschalten will, um ihn auf den Betrieb mit 2x 7TeV vorzubereiten, vorher wird er nur 2x 3,5 TeV zu bieten haben, was allerdings bereits zu sehr vielen neuen Entdeckungen führen kann, die unser Bild von der Physik für immer verändern könnten. Ich freue mich sehr auf die Versuche und erwarte nichts weniger als gigantische Überraschungen, die sich die Wissenschaftler nicht mal im Traume vorstellen können. Das wird unser Weltbild verändern. Achja, wer meint, dass am 21.12.2012 die Welt untergeht, der kann es auch nicht mehr auf den LHC schieben, denn er wird erst wieder 2013 in Betrieb genommen. Arme Untergangspropheten...
Sub
Gast
@Thomas Fluhr: Nein, es bleibt im Prinzip das Gleiche. Die Millionen sind notwendig, weil man den Prozess in deinem Körper nicht aufzeichnen und analysieren kann, sondern nur theoretisch festgestellt hat.
Helmut Horstmeier
Gast
Anstatt die Forschungsstätte CERN und den Teilchenbeschleuniger mit obskuren Phantasien zu belegen, sollte eher über Kosten und Nutzen (Spinoffs) von Grundlagenforschung gestritten werden.
Noch besser: Wir sollten die Relationen sehen zu den
Ausgaben für militärische Forschung, für die Weiterentwicklung der Dead-End-Technologie Kernenergie (früher mal Atomkraft genannt) etc.
Also bitte mal mehr Ernsthaftes dazu!
Ich bin auch studierter Physiker!
momentchen
Gast
@Thomas G.
Wenn die Schwarzen Löcher "Durch die Erde hindurch" fliegen, dann doch deshalb, weil sich die Erde über Ihnen wegbewegt? Und das hieße doch, dass sie auf der Umlaufbahn der Erde um die Sonne verharren und in einem Jahr wieder gekreuzt werden oder? Also nix da für immer weg.
Karsten
Gast
Moin Thomas,
sieh es doch mal so - es passiert überall, manchmal auch in Deinem Körper. Aber es geht schnell, sehr sehr schnell und die Teilchen sind klein, sehr sehr klein.
Stell Dir einfach vor Du versuchst eine Kamera zu bauen die die ganze Erde überwachen soll, weil irgendwo mal für den Bruchteil einer Sekunde ein Fußball auftaucht. Allein die zu verarbeitenden Datenmengen machen das momentan unmöglich.
Und CERN ist quasi der umgedrehte Ansatz - Ich baue ein Superkamera und sorge nun dafür das die Teilchen ihr schmutziges Spiel direkt vor ihr vollführen und zwar genau dann, wenn ich hinschaue.
Karsten
Mors
Gast
Kennen Sie die Geschichte von Nicola Tesla, er wollte die Schwingungen des Erdballs mit Explosionen so verstärken, dass er platzt. Gar keine so schlechte Idee, oder?
hermenaut
Gast
Ganz schlechter Stil Herr Bönt; Sicher ist Ihnen doch auch die Äußerung von John Ellis bekannt, dass die Resultate der CERN-Sicherheitsstudien im Voraus feststanden? Ihr Kurzaufenthalt am Cern hat Sie doch zumindest ansatzweise mit dem dortigen Geist vertraut gemacht? Ihr Artikel erweckt den Eindruck, dass Sie entweder als schlichter Parteigänger fungieren, oder nicht in der Lage sind, das Problem in seiner eigentlichen Tragweite zu erfassen.
Schade.
mir
Gast
@T. Flur: Naja, so wie ich den Autoren verstehe ist der Unterschied der der "kontrollierten Kollisionen", in Deinem Körper passiert das ja eher zufällig. Außerdem fehlen Dir auch die ganzen Detektoren um die Kollisionen zu "sehen".
@Thomas G.: "...die Unbedenklichkeitserklärung in der Regel von Physikern der gleichen Fachrichtung abgegeben wird - von den eigentlich alle den LHC am laufen sehen wollen. [...] keine neutralen Gutachten."
Ja, alles andere ist in diesem Fall auch schwer zu verwirklichen. Wer ist denn noch in der Lage die (Un)bedenklichkeit zu bescheinigen?
Jens K.
Gast
Das, was "britische Medien" heute Nacht gemeldet haben, ist nichts anderes als was das CERN schon lange als Zeitplanung veröffentlicht hat: Jetzt erstmal halbe Energie, dann lange Wartungspause und dann geht es mit voller Energie los. Vgl. http://www.weltderphysik.de/de/4293.php?ni=1725
Mathias A.
Gast
Kann Herrn G. nur beipflichten. Bin selbst auch Physiker, lasse mich also nicht gern in die "irrationale Doofen-Ecke" schicken, so wie dies der Autor des Artikels tut, der von irrationalen Ängsten spricht.
Die schwarzen Löcher wurden bisher für unbedenklich gehalten, weil man davon ausging, dass diese innerhalb kurzer Zeit von selbst zerfallen würden. Diese Theorie wurde aber mittlerweile von Ihrem "Erfinder", Herrn S. Hawking, zurückgezogen. Herr Hawking denkt also mittlerweile auch, dass, wenn ein schwarzes Loch ensteht, es auch stabil sein wird. Und wie Herr G. bereits erwähnt hat: im Gegensatz zu den anderen, vielen schwarzen Löchern die vermutlich entstehen und durch uns hindurchfliegen, hätte dieses künstlich erzeugte eben Null Impuls (Masse x Geschwindigkeit), heißt also, es bleibt wo es ist bzw. fällt langsam Richtung Erdkern.
Ganz egal, mit welch kleiner Zahl man das Risiko dafür beziffern mag, auf dem Spiel steht - ALLES! Ist es das wirklich wert?
M.A.
upupintothebluesky
Gast
Alle schwarzen Löcher dieses Universums entstanden durch den gleichen Versuch, der nunmehr im CERN ansteht.
Jede fortgeschrittene Intelligenz die in der Lage war diesen Versuch durchzuführen, hat ihn auch durchgeführt.
Das Ergebnis war ein schwarzes Loch.
Und jetzt sind wir an der Reihe.
Merke:
Das schwarze Loch ist das Meisterstück einer fortgeschrittenen Intelligenz.
Es gibt kein schöneres Ende für eine Zivilisation als sich selbst in einem selbstgeschaffenen schwarzen Loch zu versenken.
Und jedes schwarze Loch ist ein auf Ewigkeit bestehender Grabstein der allen anderen Zivilisationen zeigt, dass hier schöpferisch denkende Wesen "Grosses" vollbracht haben.
Thomas Fluhr
Gast
Nun, irgendwas muss ja wohl anders sein als in meinem Körper, es soll doch immerhin uns endlich ein Higgs gefunden werden, oder wofür werden die Millionen ausgegeben?
Thomas G.
Gast
Als studierter Physiker finde ich den LHC am CERN naturgemäß interessant. Die Debatte um die Mikro Schwarzen Löcher ist von daher spannend.
Es ist richtig, dass schwarze Löcher, sollten sie durch Teilchenkollisionen erzeugt werden, in der Tat immer und überall entstehen. Diese schwarzen Löcher würden aber mit eine hohen Geschwindigkeit durch die Erde hindurchfliegen, und somit wenig Schaden anrichten.
Die Argumentation der Kritiker beruht im Wesentlichen darauf, dass ein am LHC erzeugtes schwarzes Loch die Erde nicht verlassen würde, sondern sich weiterhin im Erdinnern aufhalten würde - dabei allerdings an Masse gewinnen würde, bis es irgendwann die Erde komplett vernichtet hat.
Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die Unbedenklichkeitserklärung in der Regel von Physikern der gleichen Fachrichtung abgegeben wird - von den eigentlich alle den LHC am laufen sehen wollen. Dies sind somit genau genommen keine neutralen Gutachten.