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Teil–Freispruch für RadiAktiv

■ Landgericht Nürnberg verurteilte eine Redakteurin des bayerischen Anti–WAA–Magazins zu einer Geldstrafe / Freispruch für Mitangeklagten / Keine Aufforderung zu Brandstiftung und keine Verunglimpfung des Staates

Aus Nürnberg Bernd Siegler

Mit einer Überraschung endete der Berufungsprozeß gegen zwei Redakteure der Anti–WAA–Magazins RadiAktiv am Donnerstag vor dem Landgericht Nürnberg. Vom Hauptvorwurf, zu Sachbeschädigung und Brandstiftung aufgefordert und den Staat verunglimpft zu haben, wurden die beiden RedakteurInnen freigesprochen. Lediglich wegen Aufforderung zum Geheimnisverrat wurde eine zu 40 Tagessätzen a 50 DM verurteilt. Das Verfahren gegen den dritten Redakteur wurde abgetrennt. Er war nicht zur Verhandlung erschienen. Bereits in der Erstinstanz wurden die drei Angeklagten vom Hauptvorwurf freigesprochen. Die Anklage von Staatsanwalt Breitinger, aus drei räumlich getrennten Passagen der Radi–Aktiv Nummer 7 „eindeutige Aufforderung zu Brandanschlägen und Sachbeschädigung“ konstruiert, erwies sich auch vor dem Landgericht als nicht haltbar. Nach zwei Verhandlungstagen vermißte Landrichter Jungkunz den gesetzlich vorgeschriebenen klaren Aufforderungscharakter und verwies auf Interpretationsmöglichkeiten der Texte. Das Landgericht konnte sich dem Amtsrichter Voll nicht anschließen, der in erster Instanz die Verfremdung der Löwen im bayerischen Staatswappen mit Helm, Knüppel und Hunden als Verunglimpfung des Staates verurteilt hatte. Richter Jungkunz empfand das Titelblatt der Ausgabe 6, das Bayern auf dem Weg zum Atom staat darstellen sollte, als zulässige Kritik, die nicht die Grenze zur strafbaren Schmähkritik überschreite. Dabei komme es nicht darauf an, ob die zugrundeliegenden Tatsachenbehauptungen falsch oder richtig seien. Insbesondere der Absturz des französischen Mirage–Bombers in unmittelbarer Nähe der Atomkraftwerke Isar 1, Isar 2 und Niederaichbach gab dem Richter bezüglich der Wahrscheinlichkeitsargumentation im Zusammenhang mit der WAA und dem Restrisiko sichtlich zu denken. Daß RadiAktiv sich mit der Aufforderung an alle WAA–Gegner, „geheimgehaltene Informationen aus Polizei–, Justiz– und Regierungsapparat an die Redaktion weiterzugeben“, strafbar gemacht habe, war für das Landgericht eindeutig. Verrat von Dienstgeheimnissen stehe unter Strafe, somit sei der Aufruf dazu auch strafbar. Da Redakteur Wolfgang K. eine Beteiligung an diesem Aufruf nicht nachzuweisen war, wurde er in allen Punkten freigesprochen. Anita A. muß deswegen eine Geldstrafe zahlen. Staatsanwalt Breitinger wollte in allen Punkten eine Verurteilung und forderte acht Monate mit Bewährung. Für Rechtsanwalt Uwe Maeffert aus Hamburg hat das Urteil „für Zeitungen der Szene wieder einen gewissen Spielraum hergestellt“. Nach den Hanauer Affären und dem Mirage–Absturz werde es immer schwieriger, hinsichtlich des verfremdeten Wappens „eine Legitimität für eine Verurteilung in dieser Gesellschaft“ zu finden.

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