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Tauziehen um Palästinenserdelegation

■ Multilaterale Nahost-Gespräche in Moskau eröffnet/ Syrien und Libanon blieben der Konferenz fern/ Delegation der Palästinenser in der von ihnen gewünschten Zusammensetzung ausgeschlossen

Moskau/Tel Aviv (afp/ap/taz) — Der russische Außenminister Kosyrow und US-Außenminister Baker haben gestern morgen in Moskau die multilateralen Nahost-Verhandlungen eröffnet. Es handelt sich um Vorgespräche zur dritten Phase der Nahost-Konferenz, die im Oktober unter der Schirmherrschaft der USA und der früheren UdSSR in Madrid begonnen hatte. Unter den 24 Teilnehmerstaaten sind Jordanien, Ägypten, die Golfstaaten, Tunesien, die EG, Japan und China vertreten. Zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn sollen in diesem Rahmen Fragen regionaler Zusammenarbeit erörtert werden. Bislang fehlen aber Israels wichtigste Verhandlungspartner: Syrien und der Libanon, also just jene Staaten, die bislang ohne Erfolg den Abzug der israelischen Armee von Teilen ihres Territoriums verlangen, sind der Konferenz ferngeblieben. Sie boykottieren die Verhandlungen mit der Begründung, die bilateralen Verhandlungen mit Israel in Washington hätten zu keinerlei Ergebnissen geführt.

Bislang ist auch die Delegation der Palästinenser, die sich gestern in einer neuen Zusammensetzung in Moskau eingefunden hat, nicht an den Gesprächen beteiligt. Die Palästinenser hatten kurz vor Beginn der Konferenz erklärt, sie würden nur in einer von ihnen selbst bestimmten Zusammensetzung teilnehmen.

Damit steht der Konflikt um die Zusammensetzung ihrer Delegation erneut auf der Tagesordnung. Die Palästinenser hatten auch an der Eröffnungskonferenz in Madrid und an den bilateralen Verhandlungen in Washington nur als Teil einer gemeinsamen Delegation mit Jordanien und unter Ausschluß von Ostjerusalemer Palästinensern und palästinensischen Flüchtlingen teilnehmen dürfen.

Mit der Zusammensetzung ihrer vorgestern nach Moskau entsandten Delegation widersetzen sich die PLO und die Sprecher der Palästinenser aus den besetzten Gebieten nun der sogenannten Formel von Madrid. Delegationsleiter ist der prominente Ostjerusalemer Palästinenser Feisal Husseini, unter den insgesamt acht Delegierten sind außerdem zwei palästinensische Flüchtlinge und zwei weitere Palästinenser aus Ostjerusalem. Die israelische Regierung lehnt das Gespräch mit einer so zusammengesetzten Delegation ab.

Zu den Verhandlungen sollen darum mit Zustimmung der USA und Rußlands nur die drei palästinensischen Vertreter aus dem Gaza-Streifen und der Westbank zugelassen werden. Lediglich an einer Arbeitsgruppe über Flüchtlingsfragen sollten zumindest die palästinensischen Flüchtlinge in der umstrittenen Delegation teilnehmen dürfen. Nach den Angaben der Delegationssprecherin Hanan Aschrawi berieten die Palästinenser gestern nachmittag über diesen Kompromißvorschlag der USA, den die israelischen Delegierten ablehnen. Eine Unterbreitung des Vorschlages in verbindlicher schriftlicher Form stünde aber noch aus.

Rußlands Außenminister Kosyrow betonte in seiner Eröffnungsrede die Notwendigkeit einer Rüstungskontrolle im Nahen Osten. Die Region müsse von Massenvernichtungswaffen und nichtkonventionellen Waffen, vor allem chemischen, biologischen und nuklearen Waffen, frei werden. Die Zusammenarbeit der USA und Rußlands könne eine Stabilisierung der Lage im Nahen Osten erlauben. Es sei offensichtlich, daß Rußland kein imperiales Interesse in dieser Region habe. „Wir haben zur Organisation dieses Treffens beigetragen, weil es die Fortsetzung einer Annäherung in Richtung Frieden im Nahen Osten darstellt“, erklärte Kosyrow, der jedoch nicht auf die Abwesenheit Syriens, Libanons und die ausgeschlossene Palästinenserdelegation einging.

US-Außenminister Baker forderte die Verhandlungsteilnehmer in Moskau auf, die „seltene“ Gelegenheit nicht verstreichen zu lassen, die ein künftige Zusammenarbeit biete. Auch Baker ging nicht auf die Abwesenheit der drei arabischen Delegationen ein. Was in Moskau versucht werde, sei eine Art Ersatz für das, was bei den bilateralen Verhandlungen versucht worden sei, erklärte Baker.

Die heutige Runde der Moskauer Beratungen ist nach Angaben Bakers fünf Arbeitsgruppen vorbehalten, die sich mit den Themen wirtschaftliche Zusammenarbeit, Umweltschutz, Wasserversorgung, Flüchtlinge und Rüstungskontrolle beschäftigen sollen. Die Beratungen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit sollen dem US-Außenminister zufolge auch „die dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisse des Westjordanlands und des Gaza-Streifens“ einbeziehen — nach Ansicht politischer Beobachter ein Wink an die Palästinenser, ihren Einwänden zum Trotz wenigstens am Mittwoch zu der Konferenz hinzuzustoßen.

Die Außenminister Kanadas und Jordaniens bedauerten in ihren Redebeiträgen die Abwesenheit der Palästinenser. Ohne eine Antwort auf die Palästinenserfrage werde die Konferenz zu keinem Ergebnis führen, sagte der jordanische Außenminister Kamel Abu Dschaber. Für die EG schloß sich der portugiesische Außenminister de Deus Pinheiro dieser Haltung an. Der Nahost-Konflikt könne nur durch direkte Gespräche Israels mit seinen arabischen Nachbarn, einschließlich der Palästinenser, gelöst werden. Die Europäische Gemeinschaft sei an einem Erfolg der multilateralen Gespräche interessiert, die „eine Atmosphäre der Stabilität und des Vertrauens unter den Teilnehmern schaffen“ und so eine notwendige Voraussetzung für die Zusammenarbeit in der Region herstellen könnte.

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