: Taubes Gestein
■ betr.:"Requiem für das Mansfelder Land" von Klaus Blume,taz vom 12.9.90
betr.: „Requiem für das Mansfelder Land“ von Klaus Blume,
taz vom 12.9.90
[...] Für mich stehen die Mansfelder Kumpel am Anfang der Bergarbeiterbewegung der „Noch-DDR“. Hier ist für mich der gedankliche und handlungsmäßige Anfang der Bewegung der Thüringer Kalikumpel. Hier stand erstmals der Hungerstreik unter Tage zur Diskussion, die Blockierung der Stadt Sangerhausen...
Ich denke, es wäre legitim gewesen, wenn Klaus Blume der Frage nachgegangen wäre, warum die Thüringer Bergarbeiter die Mansfelder nicht von Anfang an unterstützten. Außerdem blieben die unterschiedlichen Arbeits- und Lebensbedingungen unterbeleuchtet. Ich sehe Unterschiede in der Härte der Ausbeutung der Arbeitskraft Mensch, Unterschiede in der Entlohnung, Unterschiede im Glauben an die Zukunft des Abbaus im jeweiligen Revier.
So traurig und kompliziert die Situation der einzelnen Kumpel in und um Sangerhausen ist, er wird nicht mehr in ca. 80 Zentimeter niedrigen „Räumen“ arbeiten müssen, er wird nicht im Berg begraben werden, weil SEDler Devisen sparen wollten, er wird nicht mehr sehen müssen, wie neue Maschinen im Grundwasser des Berges ersäuft werden, er wird nicht mehr anhören müssen, wer meckert, kommt auf die schwarze Liste (zunächst SED- später Entlassungsliste).
Er hat aber noch eine Frage: Wieviele Parteifunktionäre arbeiten jetzt auf dem Schacht?
Bald wird er sehen, wie sich das Kapital um die Überbleibsel des Bergbaus bemühen wird. Wie lange werden die Halden noch stehen, die der Handarbeit so manch einer Frau zu verdanken sind? Frauen, die unter Tage arbeiten mußten, deren körperliche Kräfte in diesen Halden gebunden wurden.
Beide Systeme haben bewiesen und werden weiterhin beweisen: der Einzelne muß seine mißliche Situation selbst meistern. Vorher war die 40-Stunden-Woche nicht realisiert, jetzt steht der psychologische Druck Verlierer zu sein. Taubes Gestein.
Wie formulierte Michael Brie in den achtziger Jahren das Dilemma der DDR? Formaljuristisch ist der Arbeiter Eigentümer der Produktionsmittel, in Wirklichkeit kann er jedoch nicht über sie verfügen.
Heute ist es dem Mansfelder wieder nicht gelungen, Besitz von seiner Vergangenheit zu ergreifen. Ein alternativer Denkansatz wäre gewesen: den Berg, in dem auch Blut floß, als einen dunklen Hohlkörper zu begreifen, mit relativ konstanter Temperatur, mit Wasser, mit Elektroenergie, mit vorhandener Wetterführung (Frischluft). Passen wir in Zukunft auf, womit der Hohlkörper gefüllt wird. Jörg Pöse, Erfurt
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