"Tatort" mit Nemec und Wachtveitl: Ermittlungen im Botox-Milieu
Im Schokobad wird der Chefin eines Wellness-Tempels der Garaus gemacht. Doch zu viel Trauer bringt Falten. "Tatort: Unsterblich schön" (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD).
HAMBURG taz | Das Geheimnis von Schönheit? Disziplin! In diesem "Tatort" jedenfalls wird hart gearbeitet für das perfekte Antlitz, die straffe Mundpartie, dem aller Schwerkraft trotzenden Busen. Und wenn all das Schwitzen doch nicht hilft, dann gibt es ja immer noch das Spritzen: Werfen die Kommissare in dieser Münchner Episode mal einen Blick in die Kühlschränke der Verdächtigen, liegen da nur gut gekühlt Botox- und Vitanim-Ampullen rum. Kaum ein Salatblatt verirrt sich zwischen die Präparate.
Ermordet wurde nämlich ausgerechnet die Besitzerin eines Wellness-Tempels (Tatjana Alexander, einst Vorgesetzte von "Stromberg"). Oh komm süßer Tod: Ausgerechnet beim feierabendlichen Entspannen im Schokobad wurde ihr der Garaus gemacht. Die Trauer scheint sich beim Familienumfeld in Grenzen zu halten, schließlich könnten allzu betrübte Mienen Falten hinterlassen.
Die Opfermutter (Gudrun Landgrebe) jedenfalls schaut aus, als hätte man ihr das ewig junge Lächeln direkt ins Gesicht genäht, während der Ehemann der Toten, ein alternder Posterboy (Robert Atzorn), penibel darauf achtet, dass ihm die eingespielte Mimik nicht verrutscht.
Nur die Schwester (Victoria von Trauttmansdorff) schlägt ein wenig aus der Art, stapelt heimlich Zigaretten und Schokolade in ihrem Nachtschrank. Die Kommissare Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl) schauen derweil amüsiert der breit angelegten Anti-Aging-Offensive, tragen aber versuchshalber auch das eine oder andere Cremchen auf die rissige Haut auf.
Tragisch und komisch ist es, wie die Schönen und Reichen von München hier ihren Kampf gegen das Altern führen, den sie am Ende immer nur verlieren können. Der Regisseur Filippos Tistos und die Drehbuchautorin Stefanie Kremser, die zuvor schon mit "Sechs zum Essen" und „Kleine Herzen“ einige der formal stärksten "Tatort"-Episoden des BR geliefert haben, finden für ihre Parade echter oder vermeintlicher Best-Ager genau den richtigen Tonfall. Die Melancholie über die unwiederbringliche verloren gehende Jugend und die Aggressivität des Anti-Falten-Geschäfts sind fein austariert.
Das Schönste aber: Robert Atzorn, der in seinen eigenen Hamburg-"Tatorten" oft als eitler Bullenfatzke rüberkam, läuft hier ausgerechnet als zusehends zerknitterteres Anti-Aging-Model zu tragischer Größe auf. Anrührend, wie er als Fotomodell Ende 50 gegen sein Verfallsdatum ankämpft.
"Tatort: Die Unsichtbare", Sonntag, den 14.11.2010 um 20.15 Uhr, ARD
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