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Tatort KölnSchlachtfeld Scheidungsrecht

Die Kommissare Schenk und Ballauf müssen sich bei ihren neuen Ermittlungen mit den Wirren einer Scheidung beschäftigen. Dabei bleibt nicht nur die Ex auf der Strecke.

Zankendes Ex-Paar: Claudia Otten (Nina Petri) und Jens Otten (Pierre Besson) streiten sich um Unterhaltsansprüche. Bild: wdr/uwe stratmann

BERLIN taz | Ein Debattenkrimi mit hohen Dezibelzahlen ist dieser neue Kölner „Tatort“ geworden, denn über ein keifendes Ex-Ehepaar führt er tief in die Vor- und Nachteile des neuen deutschen Scheidungsrechts ein: Claudia und Jens Otten (Nina Petri und Pierre Besson) waren vor langer Zeit einmal ein glückliches Paar, doch in den Jahren seit der Trennung lagen sie sich über die Verteilung des bescheidenen Gehaltes in den Haaren, das der Mann als Bauzeichner verdient.

Für ihn hält die Modifikation des Unterhaltsrechts nur Pluspunkte parat; muss er doch bei Gründung einer neuen Familie weniger Mittel an die Ex und die gemeinsamen Kinder mit ihr abführen.

Eine Heirat mit der jungen Regina, die Nachwuchs von ihm erwartet, würde den Bauzeichner also im gewissen Sinne zu einem freieren Mann machen – läge die Neue nicht eines Morgens mit zerschellten Körper zwischen den Müllcontainern vor ihrer Wohnung.

Die Kommissare Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt) geraten bei ihren Nachforschungen zum Mord nun sehr schnell zwischen die Fronten von Jens Otten und seiner Ex: jede Verlautbarung über den anderen wird zur Giftgasattacke, statt Auskunft zu geben, werden Nebelkerzen geworfen. Schließlich geht es auch bei den Verhören zum Mord auf beiden Seiten immer darum, den anderen psychologisch und ökonomisch zu treffen.

Das Tragische: Beide scheinen auf ihre Weise im Recht zu sein. Sie ist durch die Erziehung der beiden Kinder vom Arbeitsmarkt entfremdet, verlangt volle Unterstützung vom Mann und schluckt Antidepressiva, um nicht ins Loch zu fallen.

Er sieht sich ums letzte Hemd beraubt und fordert die ehemalige Ehefrau auf, anstatt Pillen zu schmeißen, sich doch endlich einen Job zu suchen. Und die Kinder? Die halbwüchsige Tochter hasst ihren Alten sowieso, der kleine Sohn hat mit dem Bettnässen angefangen. Scheidungsopfer Mann, Ehe-Ruine Frau, Trennungsrückstand Kind: Verlierer sind hier alle.

Bis weit über die Schmerzgrenzen wird in „Schmale Schultern“ (Buch: Jürgen Werner, Ulrich Brandt, Stefan Wuschansky, Regie: Christoph Schnee) paritätisch das Unglück ausgeleuchtet, das die Auflösung einer Familie bei allen Beteiligten auslöst. Einfache Schuldzuweisungen werden nicht vorgenommen, dafür läuft die Dramaturgie gelegentlich bei allem Gekeife auf der Stelle.

Für den Kölner „Tatort“, in dem es in den letzten Monaten arg betulich zuging, stellt dieser Debattenschocker trotzdem eine brutale Qualitätssteigerung dar: So grausam geht es zu auf den killing fields des deutschen Scheidungsrechts.

Tatort: "Schmale Schultern", Sonntag, den 12. September 2010, 20.15 Uhr, ARD

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6 Kommentare

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  • W
    wilko0070

    Ich habe mir nach langer Zeit mal wieder einen "Tatort" angeschaut, der gestern im ORF lief. Normalerweise schaue ich zur Krimi-Unterhaltung "Monk", und dagegen ist der "Tatort" ein ziemlicher Schock: ein dumpfbackiger Polizist, der wichtige Beweismittel (Müllcontainer) verschiebt + nicht besonders geistreiche Ermittler, dazu leben fast alle handelnden Personen in gestörten Beziehungen (von den beiden verdächtigen Familien bis hin zum Kommissar Schenk). Überhaupt scheinen fast alle Akteure krank zu sein: die tablettensüchtige Ex-Ehefrau, ihr ehemaliger Mann, der wegen der Alimentezahlungen völlig fertig ist, ihr 10jähriger Sohn, der sich ständig in die Hose macht, ihre 15jährige Tochter, die keinen Bock auf Schule hat usw. usf.

    Dieses "Drama" wirkte einfach lächerlich und wurde noch durch eine besonders alberne "James Bond"-Szene angereichert, in der sich Kommissar Schenk von einem fahrenden Zug aus einen davonlaufenden Graffiti-Sprayer schnappt.

    Außerdem enthielt dieser "Tatort" massenhaft überflüssige Dialoge und Nebenhandlungen (wen interessieren bei dem konkreten Fall schon die privaten Probleme des Kommissar Schenks mit seiner Tochter, die ständig die Ermittlungen stört).

    Insgesamt kann ich für diesen "Tatort" nur ein Urteil erteilen: grottenschlecht! Und gut, dass ich normalerweise meine Zeit nicht beim Fernseh-"Tatort" verbringe.

  • C
    Comment

    Dem super erfolgreichen Zerüttungsprinzip sei Dank wird

    "paritätisch das Unglück ausgeleuchtet".

    Richtig ist, dass die Kinder verlieren. Die Kinder, unsere heiligen Kühe der Gesellschaft, von denen sich manch Bauzeichner rechnerisch nicht einmal ein einizges leisten kann, die Trennung von der Mutter bereits würdigend berücksitigt.

    Aber warum sollte er sich von der Mutter trennen?

    Warum die Mutter vom Vater?

     

    Zu Beginn des Jahres 2008 waren an deutschen Familinegerichten beinahe 400.000 Verfahren bereits aus dem Vorjahr/den Vorjahren anhängig und im Laufe des Jahres kamen noch beinahe 570.000 hinzu, um wiederum beinahe 400.000 Verfahren in 2009 zu schleppen.

     

    Die wirklichen Nebelkerzen werfen diejenigen, die sich vorgeblich um jedes einzelne und gleichwohl das Kindeswohl insgesamt bemühen, derweil vor lauter Gleichmacherei die Kinder wirklich vor die Hunde gehen und selber mit Sicherheit alles andere als befähigte Eltern werden sein können.

     

    Insfern dürfte auch das symbolische Einnässen nur ein Vorgeschmack auf die Zukunft des Jungen sein, wie auch die Verweigerung der Tochter gegenüber dem Vater. Sie wird versucht sein sich einen Mann mit dickerer Brieftasche zum Erzeuger zu wählen, während der Bengel auf´s Kinder zeugen verzichten und besser sein Heil im Cyberspace suchen wird.

     

    Am Montag dann, gehen wir wieder alle brav zur Arbeit. Für eine Zukunft, die in unseren Träumen ganz bestimmt irgendwann ganz toll sein wird.

  • KW
    Karl Waldner

    Wow! Ist jetzt schon ein Krimi Kampfplatz für feministische Parolen, dass egal was passiert, Frau immer Opfer des neuen Unterhaltrechtes ist? Auch nach neuem Recht wird mindestens das finanzielle Leben des Mannes zerschossen. Statt sich hinter dem Männermanifest der Grünen zu verstecken, sollten manche bei der taz sich langsam mal mit der Realität abgleichen. Während nämlich Mutti dank vielfältiger Zuwendungen aus allen möglichen Kanälen noch den Urlaub leisten kann, werden die meisten Männer mit Durchschnittsgehalt auf Kartoffelpüree aus der Tüte zurückgestuft. Ein Leben als Leibeigener, oft sogar unter dem Mindestbehalt. Aber schön, dass wenigstens das Fernsehen des ÖRR nicht nur nachmittags Frauenkanal ist.

     

    Mein Einkommen: 782,14 € vor allen Abzügen.

  • D
    Denninger

    Oh Mann, "Christian", da bist Du aber im falschen Film!

    Wenn man Deine Wortwahl wie "Giftgas", "Nebelkerzen", "Fronten", "Ruine" liest geht es eher um die Schlacht an der Somme und nicht um einen biederen Tatort Krimi.

    Aber klar, so ein bischen Säbelrasseln muss schon sein wenn Mann die Werbetrommel rühren will (SCNR). Das meint auch der militaristische (9.XX)

    Denninger

  • L
    Letterman

    "Scheidungsopfer Mann, Ehe-Ruine Frau, Trennungsrückstand Kind"

     

    Sie treffen den Nagel auf den Kopf. Besser als so, inklusive demonstrativem Euphemismus, kann man es nicht ausdrücken.

  • A
    anke

    Gibt es eigentlich so etwas wie den Bestands- bzw. den Vertrauenssschutz nur im Bau(ordnungs)recht? Wenn ja: Warum werden "Altehen" nicht nach altem Recht, nach dem Recht also, das zum Zeitpunkt der Eheschließung galt, geschieden? Und überhaupt: Was hat der Staat zu suchen im Ehebett? Kann er nicht einfach nur solche Ehen schließen (und steuerlich bevorzugen), bei denen die Partner nachweislich einig darüber sind, was im Falle einer Trennung geschehen soll? Dann hätte man auch wieder "gleiches Recht für alle", nur eben ganz und gar individuell...