Tatort Köln: Schlachtfeld Scheidungsrecht
Die Kommissare Schenk und Ballauf müssen sich bei ihren neuen Ermittlungen mit den Wirren einer Scheidung beschäftigen. Dabei bleibt nicht nur die Ex auf der Strecke.
![](https://taz.de/picture/297894/14/8_tatort_schmale_schultern_f.20100910-18.jpg)
BERLIN taz | Ein Debattenkrimi mit hohen Dezibelzahlen ist dieser neue Kölner „Tatort“ geworden, denn über ein keifendes Ex-Ehepaar führt er tief in die Vor- und Nachteile des neuen deutschen Scheidungsrechts ein: Claudia und Jens Otten (Nina Petri und Pierre Besson) waren vor langer Zeit einmal ein glückliches Paar, doch in den Jahren seit der Trennung lagen sie sich über die Verteilung des bescheidenen Gehaltes in den Haaren, das der Mann als Bauzeichner verdient.
Für ihn hält die Modifikation des Unterhaltsrechts nur Pluspunkte parat; muss er doch bei Gründung einer neuen Familie weniger Mittel an die Ex und die gemeinsamen Kinder mit ihr abführen.
Eine Heirat mit der jungen Regina, die Nachwuchs von ihm erwartet, würde den Bauzeichner also im gewissen Sinne zu einem freieren Mann machen – läge die Neue nicht eines Morgens mit zerschellten Körper zwischen den Müllcontainern vor ihrer Wohnung.
Die Kommissare Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt) geraten bei ihren Nachforschungen zum Mord nun sehr schnell zwischen die Fronten von Jens Otten und seiner Ex: jede Verlautbarung über den anderen wird zur Giftgasattacke, statt Auskunft zu geben, werden Nebelkerzen geworfen. Schließlich geht es auch bei den Verhören zum Mord auf beiden Seiten immer darum, den anderen psychologisch und ökonomisch zu treffen.
Das Tragische: Beide scheinen auf ihre Weise im Recht zu sein. Sie ist durch die Erziehung der beiden Kinder vom Arbeitsmarkt entfremdet, verlangt volle Unterstützung vom Mann und schluckt Antidepressiva, um nicht ins Loch zu fallen.
Er sieht sich ums letzte Hemd beraubt und fordert die ehemalige Ehefrau auf, anstatt Pillen zu schmeißen, sich doch endlich einen Job zu suchen. Und die Kinder? Die halbwüchsige Tochter hasst ihren Alten sowieso, der kleine Sohn hat mit dem Bettnässen angefangen. Scheidungsopfer Mann, Ehe-Ruine Frau, Trennungsrückstand Kind: Verlierer sind hier alle.
Bis weit über die Schmerzgrenzen wird in „Schmale Schultern“ (Buch: Jürgen Werner, Ulrich Brandt, Stefan Wuschansky, Regie: Christoph Schnee) paritätisch das Unglück ausgeleuchtet, das die Auflösung einer Familie bei allen Beteiligten auslöst. Einfache Schuldzuweisungen werden nicht vorgenommen, dafür läuft die Dramaturgie gelegentlich bei allem Gekeife auf der Stelle.
Für den Kölner „Tatort“, in dem es in den letzten Monaten arg betulich zuging, stellt dieser Debattenschocker trotzdem eine brutale Qualitätssteigerung dar: So grausam geht es zu auf den killing fields des deutschen Scheidungsrechts.
Tatort: "Schmale Schultern", Sonntag, den 12. September 2010, 20.15 Uhr, ARD
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