Tatort "Das Mädchen Galina": Schwäbische Saubermänner
Der Politiker und die tote Prostituierte: Ermittler Lannert und Bootz geraten in einen Konflikt, der durch die Eindimensionalität seiner Figuren langweilig wird (So, ARD, 20.15).
Politiker im Rotlichtmilieu, was für ein blödes Thema. Zu abgenutzt ist das Bild vom Saubermann, der es im Verborgenen richtig dreckig treibt – so wie in dieser Tatort-Episode ein fiktiver Landespolitiker mit dem schönen schwäbischen Namen Bertram Högele (Stephan Schad). Politisch ist der Krawattenfetischist wohl eher dem konservativen Lager zuzuordnen, sexuell steht er auf experimentelle Praktiken.
„Er muss die Frauen würgen, sonst kommt er nicht“, sagt eine Prostituierte gegen Ende des Films. Doch das Fernsehpublikum ist da bereits bestens informiert: Dank der von der Polizei obsessiv benutzten Rückspultaste hat es mehrmals auf einem Video gesehen, wie der alte Sack keuchend auf einer jungen Frau rumrutscht und ihr dabei die Luft abdrückt. Aufgenommen wurde der Film mit versteckter Kamera in einem Prostituiertenappartement in einer riesigen Mietskaserne. Die Liebesdienerin wurde dort erstochen aufgefunden, Högele ist der Hauptverdächtige.
So urban sich der Stuttgart-Tatort seit seinem Relaunch im letzten Jahr gibt – erfolgreich modernisiert wurde er nicht wirklich. Auch dieser Mix aus Politikermelodram und „Peeping Tom“ bedient eher alte Ressentiments statt neue Motive und Erzähltechniken zu finden.
Dabei hat Krimi-Routinier Thomas Freundner einst mit seinem Grimme-Preis gekrönten Frankfurt-Tatort „Herzversagen“ eine der besten Folgen für das beste aller Fernsehreviere gedreht – gerade weil das Böse in all seiner Banalität gezeigt wurde. Doch beim Stuttgart-Schocker „Das Mädchen Galina“ (Buch: Stefan Brüggenthies) sucht man solche Feinheiten vergeblich.
Dabei beginnt der Film so gut. Alarmiert durch einen Notruf kommen die Kommissare Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare) in die Wohnung einer Prostituierten und werden sogleich unter Beschuss genommen. Hilflos, desorientiert, angeschossen: So geraten die Ermittler in den unübersichtlichen Konflikt – der allerdings allzu schnell durch die Eindimensionalität der Figuren langweilig wird. Der maliziöse Zuhälter, die machtbewusste Politikergattin und der ewig seine Krawatte zurecht zupfende Fast-Ministerpräsident – man hat sie einfach zu oft gesehen, man kennt sie in und auswendig.
Nichts gegen Beischlaf-Action in Fernsehkrimis: Aber wenn hier der junge Körper der toten Prostituierten immer wieder spekulativ ins Bild gesetzt wird, werden letzlich nur jene ausbeuterischen Prinzipien bedient, die der Film zu kritisieren vorgibt. So richtig sauber ist sie also selbst nicht, diese Abrechnung mit der schwäbischen Saubermann-Politik.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!