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Tarifkonflikt bei der BahnStreikurteil erwartet

Ein Bundestagsgutachten stärkt die Position der Eisenbahnergewerkschaft GDL.Ob die Lokführer auch im Fern- und Güterverkehr streiken dürfen, entscheidet heute aber das Landesarbeitsgericht in Chemnitz.

So lehr kann's im Bahnhof Chemnitz aussehen, wenn die örtlichen Richter die Streikrechte der GdL erweitern Bild: dpa

Am heutigen Freitag wird sich entscheiden, ob beim nächsten Lokführerstreik auch Güter- und Fernverkehrszüge stehen bleiben. Denn das Sächsische Landesarbeitsgericht in Chemnitz urteilt heute darüber, ob die Lokführergewerkschaft GDL künftig ihre Arbeitskämpfe über den Regionalverkehr hinaus ausweiten darf.

Mit diesem Ziel hatte die GDL Berufung gegen ein Urteil vom Arbeitsgericht Chemnitz eingelegt. Rechtsexperten des Bundestages stützen nun in einem aktuellen Gutachten die Position der GDL. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob ein solcher Streik unverhältnismäßig sei und das Gemeinwohl verletze.

So hatte das Bundesverfassungsgericht 1991 geurteilt, dass ein Arbeitskampf durch "Grundrechte Dritter" und "andere Güter von Verfassungsrang" eingeschränkt werden darf. Aber ist das bei einem Bahnstreik der Fall? Das Arbeitsgericht in Chemnitz hatte das im Oktober noch so gesehen und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur Streiks im Regionalverkehr erlaubt.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages sind hingegen anderer Meinung. "Selbst nach der restriktivsten Auffassung ist ein (Streik-)Verbot nur unter bestimmten Voraussetzungen auszusprechen", heißt es in dem nicht öffentlichen Gutachten, das der taz vorliegt. "Der aktuelle Lokführerstreik dürfte diese Grenzen des Streikrechts derzeit wohl nicht überschritten haben."

Denn es sei faktisch nicht denkbar, dass ein Streik den Verkehr gänzlich zum Erliegen bringe. Das folge schon daraus, dass ein Teil der Lokführer Beamten seien und nicht streiken dürfen und nur ein geringer Prozentsatz des Güter- und Personenverkehrs von der Eisenbahnen abgedeckt wird.

Die GDL stimmt ein solches Gutachten optimistisch: "Wir hoffen, dass das Arbeitsgericht das genauso sieht", sagte GDL-Sprecher Maik Brandenburger der taz. Bei der Verhandlung vor dem Gericht wird auch der GDL-Vorsitzende Manfred Schell anwesend sein, der am Donnerstag seine Kur am Bodensee unterbrach.

Sollte die Gewerkschaft wieder volles Streikrecht erhalten, könnten bereits am Wochenende die Züge wieder stehen. Allerdings will die GDL zunächst den Güterverkehr bestreiken. Denn die Gewerkschaft muss befürchten, dass sich die Stimmung in der Bevölkerung immer stärker gegen sie richten wird. "Wir beobachten die öffentliche Meinung", sagt Brandenburger. Allerdings schließt er nicht aus, dass bei den dann folgenden Streiks auch wieder Personenzüge bestreikt werden.

Doch bereits mit der Ankündigung, den Güterverkehr zu blockieren, löste die GDL heftige Reaktionen aufseiten der Wirtschaft aus. "Solche Streiks haben einen hohen gesamtwirtschaftlichen Schaden zur Folge", warnte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. Die GDL müsse sich im Klaren sein, dass Streiks auch den Interessen der Bahn und dem gesamten Standort schadeten.

Auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der BASF, Eggert Voscherau, warnte vor "unkalkulierbaren" volkswirtschaftlichen Schäden. Der umweltfreundliche Schienengüterverkehr sei für viele Unternehmen ein zentraler Teil ihres Logistikkonzeptes. Komme dieses System aus dem Tritt, drohten wegen fehlenden Nachschubs Produktionsausfälle.

GDL-Sprecher Brandenburger sieht die Situation weniger dramatisch. Es gehe nicht darum, die gesamte Wirtschaft lahmzulegen, sondern das Bahn-Management zur Vorlage eines neuen Angebotes zu bewegen. Im Zentrum der Forderungen der GDL steht nach wie vor ein eigenständiger Tarifvertrag. Doch bei der Durchsetzung dieses Ziels will die Gewerkschaft die juristischen Vorgaben nicht aus dem Blick verlieren: "Wir werden immer die Verhältnismäßigkeit beachten", sagte Brandenburger.

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