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Tansu Çiller will die Regierung übernehmen

■ Ministerpräsident Erbakan ist angeblich für Neuwahlen im Oktober. Außenministerin Çiller will die Regierungsmacht und Wahlen erst im Frühjahr

Ankara (AFP/dpa/rtr/taz) – Die innenpolitische Krise der Türkei geht weiter. Der türkische Nachrichtensender NTV meldete, der islamistische Ministerpräsident Necmettin Erbakan sei bereit, sein Amt seiner konservativen Koalitionspartnerin Tansu Çiller am 1. Juli zu überlassen – unter der Voraussetzung, daß vorzeitige Neuwahlen für den Oktober angesetzt würden.

Nach den Worten des Chefs der rechtsextremen Partei Große Einheit, Muhsin Yazicioglu, ist Erbakan jedoch gegen vorgezogene Wahlen. Erbakan und Çiller hatten Yazicioglu um eine Beteiligung an der Koalition gebeten. Yazicioglu, dessen Partei sieben Mandate hat, äußerte sich am Mittwoch abend nach dem Treffen zurückhaltend. Vor einem Beitritt in die Koalition müßten sich zuerst die beiden Regierungspartner über das weitere Vorgehen einigen.

Das könnte schwierig werden. So ist Çillers Partei des Rechten Weges (DYP) zwar auch für Neuwahlen, tritt aber für einen Wahltermin nicht vor dem Frühjahr 1998 ein. Die scheinheilige Begründung: Vor den nächsten Wahlen müßten eine Volkszählung vorgenommen, die Wählerlisten aktualisiert und die Wahlgesetze geändert werden. Andernfalls könnte Erbakans Wohlfahrtspartei (RP) mehr als 200 der insgesamt 550 Parlamentssitze gewinnen, während die DYP mit schweren Verlusten rechnen müßte. Gegenwärtig verfügt die RP über 159 und die DYP über 117 Mandate.

Gleichzeitig tagte gestern der DYP-Rat, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen, um über Fortsetzung oder Aufkündigung der einjährigen Koalition mit der RP zu entscheiden. Çiller hatte Erbakan am Vortag aufgefordert, ihr das Amt des Ministerpräsidenten vorzeitig zu übergeben.

Die Koalitionsparteien hatten vereinbart, daß in den ersten zwei Jahren Necmettin Erbakan Ministerpräsident ist und Çiller von Juni 1998 bis zum planmäßigen Wahltermin im Jahre 2000 die Koalition führt. Im Falle innenpolitischer Krisen sowie der Möglichkeit vorzeitiger Wahlen aber sollte die Rotation schon nach einem Jahr vorgenommen werden.

Çiller hatte verlangt, die Regierungsführung früher zu übernehmen, um den Druck des Militärs auf die Regierung zu nehmen. Die Generäle hatten Erbakan in den vergangenen Monaten mehrfach aufgefordert, Islamisierungstendenzen seiner Anhänger zu stoppen. Erbakan hatte sich nur zögerlich bereit erklärt, den Maßnahmenkatalog des Militärs zu erfüllen. Es wird erwartet, daß der Nationale Sicherheitsrat auf seiner morgigen Sitzung weitere Maßnahmen von der Regierung fordert.

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