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Tansania: Leichtes Spiel für Ukimwi

■ Viele Tansanier glauben, Aids sei nur „eine Erfindung der alten Kolonialmächte“

Daressalam (dpa/taz) - Auch Papst Johannes Paul II. scheinen die Fakten über Aids in Afrika zu schocken. Seine eindringlichen Worte über das „Drama Aids“, das „nicht nur einzelne Nationen oder Gesellschaften, sondern die Menscheit bedroht“, lassen sich kaum anders erklären. „Ukimwi“, wie Aids hier genannt wird, hat in Tansania offenbar ein leichtes Spiel.

In manchen Dörfern vor allem im Norden und in der Provinz Kageri scheint die mittlere Generation, also die sexuell besonders aktive Bevölkerung, fast ausgestorben. Das berichten westliche Experten in Daressalam. „Auffallend viele Prominente zwischen 30 und 40 Jahren sterben, Musiker, Politiker, Künstler, Journalisten“, so ein Diplomat. Betroffen sind hier wie in ganz Afrika keineswegs die in Europa und den USA bekannten Risikogruppen, zum Beispiel Homosexuelle, sondern alle. Die Regierung gibt inzwischen die Wachstumsrate der Bevölkerung mit 2,8 Prozent an - vor wenigen Jahren lag sie noch bei 3,5 Prozent. Fachleute sehen darin vor allem ein Resultat der Volksseuche und nicht einer zunehmenden Familienplanung.

Zentrale Ursache für die rapide Ausbreitung von Aids ist ohne Zweifel das Sexualverhalten der Menschen. Weder die Priester der Kirche noch die Propagandisten und Ärzte des Staates scheinen es beeinflussen zu können. „Egal ob Christen oder Moslems, ob aufgeklärt oder nicht, die weitverbreitete Promiskuität läßt sich wohl kaum beseitigen“, glaubt ein westlicher Diplomat.

Missionare berichten von Stammesriten, bei denen reihenweise Jungen um die zehn Jahre mit einem Messer beschnitten werden. Ist auch nur eines der Kinder von Aids befallen, werden alle anderen mit Sicherheit angesteckt.

Offiziell sind in Tansania nur 10.000 der rund 25 Millionen Menschen an Aids erkrankt. Die Zahl der Infizierten soll zehnmal so groß sein. Experten aus Europa gehen davon aus, daß zwischen einem und zehn Prozent der Bevölkerung vom Aids -Virus befallen sind. Im Norden sollen es nach den Worten eines deutschen Geistlichen sogar ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung sein.

Der Papst forderte erneut eine Moralisiserung der Gesellschaft, um der Geißel Aids zu begegnen. Europäer in Afrika fürchten, diese Vision wird ebenso wenig bewirken wie die zaghaft begonnen staatlichen Maßnahmen, zum Beispiel Warntafeln an den Straßen, Aufklärungsflugblätter oder die kostenlose Verteilung von Präservativen. „Die meisten wollen die Krankheit einfach nicht wahrhaben. Als Todesursache wird ohnehin dann Malaraia oder Krebs angegeben, obwohl Aids am Werk war“, berichtet ein Diplomat. Viele Tansanier glauben auch jenen Parolen extremer Gruppierungen in Tansania , die Aids ohnehin nur als „eine Erfindung der alten Kolonialmächte“ bezeichneten, „um die Afrikaner in Abhängigkeit halten zu können“.

Laslo Trankovits

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