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Tamilischer Bruderkrieg

■ Offenbar 100 Tote bei Kämpfen zwischen rivalisierenden Tamilengruppen im Osten Sri Lankas / Gewalt auch zwischen Tamilen und Muslimen

Colombo (afp/taz) - In der Ostprovinz Sri Lankas sind am Wochenende offenbar über 100 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder, bei Schießereien zwischen rivalisierenden tamilischen Guerillagruppen ums Leben gekommen. Die meisten Todesopfer gehen nach übereinstimmenden Angaben von Polizei und Bevölkerung auf das Konto der größten Rebellengruppe, der „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ LTTE, die im Distrikt Batticaloa einen Vernichtungsfeldzug gegen die „Volksbefreiungsorganisation Tamil Eelam PLOT unternommen haben. Bei den Angriffen kamen nach Augenzeugenberichten auch der Anführer und der militärische Oberbefehlshaber der PLOT um. Während die Polizei zunächst von 25 Toten sprach, berichtete ein katholischer Priester der Region von 148 Opfern der zweitägigen bewaffneten Auseinandersetzungen. In den vergangenen zwei Jahren hat die LTTE in ihrem Kampf um die Vorherrschaft in den von Tamilen bewohnten Gebieten Sri Lankas schätzungsweise 500 An hänger anderer Befreiungsorganisationen getötet. Aus der Ostprovinz werden auch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Tamilen und Muslimen gemeldet. Nachdem am 3. September der muslimische Regierungsbeamte Habib Mohamed erschossen worden war, waren mehrere hundert Muslime mit Steinen gegen die Büros der LTTE und tamilische Geschäfte vorgegangen. Insgesamt ist ein Sachschaden von drei Millionen DM entstanden. Der Ermordete hatte tags zuvor das Hissen einer Flagge der LTTE auf einem öffentlichen Platz des Fischerortes Muttur untersagt. Die LTTE hat jedoch jede Verantwortung für den Mord abgelehnt. Hintergrund für die jüngsten Ausschreitungen ist das für Ende 1988 geplante Referendum über den Zusammenschluß der Nord– und Ostprovinzen zu einem autonomen Tamilengebiet, wie es das am 29.Juli zwischen Indien und Sri Lanka geschlossene Friedensabkommen vorsieht. Während der Norden Sri Lankas überwiegend von Tamilen bewohnt ist, setzt sich die Bevölkerung der Ostprovinz zu je einem Drittel aus Tamilen, Singhalesen und Muslimen, den Nachfahren arabischer Kaufleute zusammen. Bei der anstehenden Abstimmung kommt daher den Muslimen eine entscheidende Rolle zu. Sie werden von beiden Seiten umworben. Die Muslime selbst haben keine einheitliche Organisation. Während der Muslim–Rat eine separate Provinz für Muslime fordert, setzt sich die „Islamische Politische Aktionsfront“ für ein Zusammengehen von Muslimen und Tamilen ein. Meinungsverschiedenheiten über die weitere Politik in bezug auf das Referendum sind auch der Anlaß für die Schießereien zwischen den tamilischen Organisationen LTTE und PLOT. Die LTTE hat am Wochenende die tamilische Bevölkerung zum zivilen Ungehorsam (Steuerstreik u.ä.) aufgerufen. Damit soll gegen die Rückkehr von Singhalesen in die Tamilengebiete protestiert werden, die während der Kämpfe der vergangenen Jahre in andere Landesteile geflohen waren. Die PLOT hat sich dagegen für eine Rückkehr der singhalesischen Flüchtlinge ausgesprochen.

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