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Archiv-Artikel

Taktische Ziellosigkeit

BUNDESWEHR Ist die neue Nato-Strategie für Afghanistan zum Scheitern verurteilt?

Bald werden wir ein Konzept haben, aus dem hervorgeht, wann wir womöglich mit dem Abzug beginnen

VON ERIC CHAUVISTRÉ

Wer die Verlängerung eines öffentlich geförderten Projekts beantragt, muss dies sehr gut begründen. Als Antragsteller muss ich dem Ziel ein deutliches Stück näher gekommen sein. Das muss ich plausibel belegen und darlegen, warum ich davon ausgehe, im jetzt beantragten Antragszeitraum das Ziel zu erreichen. Zumindest sollte ich zeigen, dass ich dem Ziel sehr viel näher kommen werde. Das gilt für universitäre Forschungsvorhaben genauso wie für Stadtteilprojekte. Wenn es um größere Summen geht, muss zuweilen gar eine externe Evaluierung beigefügt werden. Erst recht, wenn Zweifel an der fristgemäßen Umsetzung des Vorhabens bestehen.

Man kann einen Militäreinsatz für moralisch gestattet oder gar geboten halten. Oder der Auffassung sein, dass der Einsatz erlaubt oder gar erforderlich ist. In jedem Fall ist eine staatlich sanktionierte Gewaltandrohung eine Ausnahmesituation. Wer sie in einer Demokratie durchsetzen möchte, von dem darf verlangt werden, dass er die Erfolgsaussichten belegt. Moralisches und der Verweis auf die rechtliche Korrektheit sind erlaubt. Als Begründung für einen Militäreinsatz reichen sie nicht aus.

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr sind nicht nur extrem kostspielig – für den Staat. Und sehr riskant – für die eingesetzten Soldaten. Im Gegensatz zu aufwendig evaluierten Stadtteil- oder Forschungsprojekten haben sie potenziell existenzielle Folgen – für alle Bürger des Landes. Wenn für Militäreinsätze andere Ansprüche gelten, dann höhere. Soll der Erfolg also gemessen werden, dann müssen erst mal Ziele her. Nur wenn Ziele definiert sind, lassen sich Erfolg und Scheitern messen. Genau das ist bei dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan nicht der Fall. Es werden im Wochenrhythmus neue Losungen ausgegeben. Je nach aktueller Lage im Land. Und noch wichtiger: angepasst an das, was man gerade für publikumstauglich hält. Und im Zweifelsfall muss das Ziel niedriger sein als das, was ich tatsächlich für erreichbar halte.

Gestern hat der Bundestag das Mandat um ein weiteres Jahr verlängert. Als die Bundeswehr den Einsatz in Afghanistan begann, standen die Menschenrechte und Demokratie ganz oben auf der Liste. Ein Staat sollte aufgebaut, Rechtstaatlichkeit gefördert und eine demokratische Wahl abgehalten werden. Acht Jahre und eine gefälschte Präsidentenwahl später ist vom Einsatzziel „Demokratisierung“ nichts mehr zu hören. Auch von „Menschenrechten“ und „Rechtsstaatlichkeit“ hört man selten. Geblieben ist ein Staatsaufbau und die Ausstattung dieses Gebildes mit einer Armee.

Mit Blick auf Afghanistan ist die Verkündung ganz großer Ziele zurzeit ein wenig out. Das kann an den derzeit wenig erfreulichen Nachrichten aus Afghanistan liegen, aber auch an der offenbar anhaltenden Unlust der Deutschen an diesem Krieg. Deshalb heißt es jetzt: Wir sind dort , damit wir wieder abziehen können. Wann genau, können wir leider noch nicht sagen. Aber bald werden wir zumindest ein Konzept haben, aus dem dann hervorgeht, wann wir wahrscheinlich mit dem Abzug beginnen. Wir gehen irgendwann raus, und vorher bauen wir noch eine Streitmacht auf, die den Krieg dann auch allein weiterführen kann. Es behauptet ja niemand, dass der Krieg nach dem Abzug der Nato nicht weitergeht.

Und sollte sich das Erreichen dieses Ziels noch ein wenig hinziehen, dann gibt’s es noch das immer aktuelle Ziel, die eigenen Truppen zu schützen. Vergehen ein paar Wochen oder gar Monate, ohne dass die Bundeswehr unter Beschuss kommt, dann können wir verkünden, dieses Ziel erreicht zu haben.

Der Ausweg aus der ungünstigen Lage ist also eigentlich ganz einfach: Wenn ich nicht an meinen Zielen gemessen werden möchte, dann setze ich mir erst gar keine. Und wenn das zu auffällig werden sollte oder wider Erwarten doch mal nach Zielen gefragt wird – dann definiere ich mir schnell ein Ziel, das gerade erreichbar ist. Da kommt selbst der kritischste Kritiker irgendwann nicht mehr mit.