Tagesthemen: Hellwach zwinkern
Caren Miosga, 38, präsentiert am Montag erstmals die "Tagesthemen" in der ARD. Was sie als Nachrichtenmoderatorin braucht, ist Telegenialität
Ein paar Dinge scheinen zu Beginn des 21. Jahrhunderts unumstößliche Wahrheiten zu sein: Erstens: Die Erde ist keine Scheibe. Zweitens: Wasser ist nass. Und drittens: ModeratorInnen von Nachrichtenmagazinen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen brauchen ES, um akzeptiert zu werden. Nennen wir ES: Telegenialität - eine Kombination aus Aura, Intellekt und optischer Fernseheignung, die bewirkt, dass ZuschauerInnen die ModeratorInnen als glaubwürdig wahrnehmen. Nachdem Caren Miosga, 38, die Entscheider der ARD von sich überzeugt hat, kann sie heute (22.15 Uhr) auch dem Publikum zeigen, ob sie sie hat: Sie präsentiert dann erstmals die "Tagesthemen".
Dass sie das Anforderungsprofil einer Moderatorin im Kultur- und Medienjournalismus erfüllt, hat sie schon gezeigt: 2003 wurde sie Moderatorin des Medienmagazins "Zapp" im NDR; 2006 dann, nach einer Babypause, beim damals neuen ARD-Kulturmagazin "Titel, Thesen, Temperamente". Miosga kann Hochkulturthemen so allgemein verständlich anmoderieren, als handle es sich um die Ansage des weihnachtlichen Krippenspiels.
Doch nun, bei den "Tagesthemen", dem neben dem "heute journal" hochrangigsten deutschen Nachrichtenformat, gibt es einige Zusatzanforderungen. Die Süffisanz, manchmal deutliche Ironie, mit der sie Themen ankündigte, wird sie sich bei den "Tagesthemen" seltener leisten können. Denn NachrichtenmoderatorInnen von ARD und ZDF kommen im öffentlichen Ansehen direkt nach Bundespräsident und Günther Jauch; dementsprechend allgemein gültig muss ihr Auftreten sein. Der Grat zwischen ironischer Brechung eines Themas und Absturz in die Unseriosität ist schmaler.
Miosga selbst tut, was man wohl tun muss, wenn man von einem vergleichsweise kleinen Kulturmagazin zu den "Tagesthemen" wechselt. Sie gibt sich bescheiden, aber selbstsicher: "Mir ist schon bewusst, dass es hier um das Flaggschiff der ARD-Nachrichtensendungen geht. Aber ich bin ja längst keine Anfängerin mehr vor der Kamera."
Dass sie nicht nur Texte vorlesen muss, sondern als Figur wahrgenommen wird, ist ihr klar: "Sobald ich mich verstellen würde, etwas kopieren, besonders staatstragend oder betont locker vor der Kamera wirken wollte, merkt der Zuschauer das sofort", sagt sie. Das ist die Schwierigkeit. Stimmiges Auftreten ist gefragt, und da es sich um ein visuelles Medium handelt, sind Gestik, Mimik und Erscheinung Teil des Ganzen.
Ulrich Wickert hatte die Qualität, zugleich verschmitzt auszusehen, zu wirken, als hätte er in der Mittagspause ein Geschichtslexikon geschrieben, und dabei das Wort "Anarchie" mit einem "arsch" in der Mitte auszusprechen. Das passte. An Tom Buhrow, mit dem sich Miosga als ModeratorIn der Sendung abwechselt, wurde schon kritisiert, er sei "angestrengt brav". Eigentlich hat Buhrow aber eine ähnliche Qualität, wie sie Wickert hatte, den er 2006 ablöste - es passt zusammen, was er tut: Er mag manchmal wirken, als hätte er einen Stock im Kreuz, doch seine Sätze sind gerade und die Inhalte, die er vermittelt, präzise. Anne Will, Miosgas Vorgängerin, war hartnäckig in Interviews und unprätentiös. Und wenn sie einen Kommentar abgab, dann, indem sie mit einer Augenbraue zuckte, was ihr Markenzeichen wurde. Auch das war stimmig. Und so hatten und haben sie alle ihre augenscheinliche Besonderheit - weil der Augenschein zum Fernsehen dazugehört.
Es ist daher nachvollziehbar, wenn Miosgas erste Auftritte einer ausführlichen Exegese unterzogen werden. Es empfiehlt sich vielleicht, dabei die Augenpartie nicht völlig zu übersehen. Denn abgesehen davon, dass Miosga ähnlich mobile Brauen hat wie Anne Will, scheint sie manchmal ein Auge ein klein wenig weiter geöffnet zu haben als das andere. Vielleicht nicht die schlechteste Voraussetzung für eine "Tagesthemen"-Moderatorin: die Welt mit einem hellwachen und einem wenn auch nur andeutungsweise zugekniffenen Auge wahrzunehmen.
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