Tagesthema Homophobie und Migranten: "Schwule Türken stinken nicht nach Knoblauch"

Die deutsche Gesellschaft pflegt eine merkwürdige Doppelmoral im Umgang mit Türken, meint der Theaterregisseur Nurkan Erpulat. Wer schwul ist, also eigentlich als doppelt benachteiligt gilt, wird eher von Deutschen akzeptiert.

taz: Herr Erpulat, wie gefährlich ist es, sich als Türke in Deutschland als Schwuler zu outen?

Wie schwulen- und lesbenfeindlich sind Zuwanderer? In Berlin wird das Thema heftig diskutiert. Dabei prallen zwei Standpunkte aufeinander: Vor allem der Islam sei das Problem, meinen die Aktivisten vom Lesben- und Schwulenverband LSVD. Homophobie sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, keins bestimmter Ethnien oder Religionen, sagen dagegen Vertreter von Migrantenvereinen. Den Versuch einer Antwort unternimmt das Theaterstück "Jenseits - Bist du schwul oder bist du Türke?" Ab Dienstag im Ballhaus Naunynstraße.

Nurkan Erpulat: Offen schwul zu sein ist auch in dieser Gesellschaft immer noch ein Problem. Bei Migranten kommt aber hinzu, wie die Familie reagieren wird. Viele kriegen es nicht auf die Reihe, ihre Homosexualität gegenüber ihren Familien offenzulegen. Gerade bei Migranten aus dem orientalischen Raum hat die Familie einen hohen Stellenwert. Sie ist die Heimat.

Wer ist denn der schlimmere Feind: Rassistische Deutsche oder homophobe Migranten?

Ich unterscheide sie beide nicht. Homophobie ist ebenso wie Rassismus nicht abhängig von der Nationalität. Beides kommt bei sozial schwachen und wenig gebildeten Menschen häufiger vor als bei anderen. Davon gibt es unter Migranten viele. Aber auch bei Deutschen aus solchen Verhältnissen sind solche Einstellungen verbreitet.

Umfragen sagen aber ...

Deshalb bin ich Umfragen gegenüber skeptisch. Männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund werden so oft zu Sündenböcken gemacht. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie diese Gesellschaft hierzulande grundsätzlich ablehnen. Dazu gehört auch die Ablehnung von Homosexualität. Die äußern sie, wenn man sie fragt. Ich will gar nicht verharmlosen, dass es diese ablehnende Haltung gegenüber Homosexuellen tatsächlich gibt. Aber sie ist nicht so extrem, wie es oft dargestellt wird.

Wie bewerten Sie die Debatte um dieses Thema?

Ich bin nicht dafür, das Problem zu ethnisieren, wie es der LSVD meiner Meinung nach tut. Nehmen Sie den Namen seines Migrantenprojektes: Miles. Es steht für Migranten, Lesben und Schwule und nicht für Migrantische Lesben und Schwule. Das ist doch eine eigenartige Sicht.

Für Ihr Stück haben Sie unter homosexuellen MigrantInnen recherchiert. Dabei ist nicht nur Negatives berichtet worden.

Ja, aber das entlarvt im Grunde die Doppelmoral der Gesellschaft. Meine eigenen Erfahrungen waren der Anlass, warum ich dieses Stück gemacht habe: Wenn ich sagte, dass ich Türke bin, reagierten viele Leute zurückhaltend. Wenn ich dann sagte, dass ich schwul bin, waren sie erleichtert. Als Schwuler giltst du gleich nicht mehr als Türke.

Wieso das?

Weil sich die Vorurteile gegenüber Türken und Schwulen aufheben. Schwule fallen nicht unter das sonst übliche Raster von türkischen Männern - gewalttätig, kein Respekt vor Frauen, stinken nach Schweiß und Knoblauch. Schwule Türken gelten als friedlich, kultiviert und wenn sie nach Schweiß riechen, ist es geil.

Schwule Türken sind deutscher?

Zwei Minuspunkte ergeben in unserem Fall einen halben Pluspunkt.

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