piwik no script img

Tagebau in BrandenburgVolksbegehren auf kleiner Flamme

Selbst Dinosaurier können die Brandenburger nicht hinter dem Ofen hervorlocken: Das Volksbegehren gegen neue Tagebaue für Braunkohle läuft schlecht. Zu groß ist die Hürde, denn wer dagegen ist, muss in den Meldeämtern seine Unterschrift leisten.

Hier war einmal eine Wiese: Tagebau in Nordrhrein-Westfalen Bild: BK59/CreativeCommons 2.0 US

Das Volksbegehren "Keine neuen Tagebaue in Brandenburg" geht angeschlagen in die Endrunde. Zu wenig BrandenburgerInnen haben bisher auf den Meldeämtern mit ihrer Unterschrift der braunkohleverliebten Politik der Brandenburger Landesregierung eine Absage erteilt. 80.000 Unterschriften werden gebraucht. Zur Halbzeit im Dezember waren es 6.200.

Mit aller Macht stemmen sich die OrganisatorInnen des Volksbegehrens gegen das Desinteresse. Einen riesigen, Dinosaurier ähnlichen, Kohlosaurus haben sie gezimmert. Damit touren sie durch die Provinz. Das Sechs-Meter-Monster entlässt regelmäßig Kohlendioxid-Ballons in die Luft. Je größer der Auftritt, desto mehr Rummel, lautet die Hoffnung der Initiatorinnen. Spannend finden es aber nur die Kinder.

Die Zeit drängt. Der Stromkonzern Vattenfall will mindestens vier neue Tagebaue in Brandenburg aufschließen. Mehrere tausend Menschen sollen für die Pläne Vattenfalls umgesiedelt werden. Die drei Dörfer Kerkwitz, Grabko und Atterwasch kämpfen schon jetzt um ihre Existenz.

Auch Klimaschützer laufen Sturm. Braunkohle ist der klimaschädlichste aller fossiler Brennstoffe. Weitere Tagebaue bedeuten Millionen Tonnen zusätzliche Kohlendioxid-Emissionen. Bei einem Erfolg des Volksbegehrens müsste sich der Brandenburger Landtag mit einem Gesetzesentwurf zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in der Lausitz beschäftigen.

Am Freitag war der Kohlosaurus in Fürstenwalde. Unter der Stadt liegt ebenfalls eines der größten Braunkohlevorkommen in Brandenburg. Die 33.000 FürstenwalderInnen beeindruckt das jedoch wenig. Gerade 188 haben bis jetzt für das Volksbegehren unterschrieben. "Fürstenwalde ist zu groß. Die werden uns schon nicht abbaggern", sagt Christina Krüger. Die 52-jährige verkauft auf dem Markt Textilien und beäugt den Kohlosaurus skeptisch. "Viele leben hier von der Braunkohle. Ohne Kohlekraft gehen uns die Lichter aus". Solche Argumente geben Vattenfall und die Landesregierung in ihrer Braunkohlepropaganda vor.

Schwer gemacht wird es dem Bündnis gegen die Braunkohle, in dem sich Bürgerinitiativen und Umweltverbände sammeln, auch von der Brandenburger Verwaltung. Dass die Braunkohlegegner auf die Meldeämter gehen müssen, um ihre Unterschriften abzugeben, ist eine riesige Hürde. Darin liegt die Ursache, warum in Brandenburg noch nie ein Volksbegehren erfolgreich war. Zahlen über den aktuellen Stand der Unterschriften geben die Verwaltungen ebenfalls nur widerwillig heraus.

"Den Menschen hier ist nicht klar, dass es auch sie selbst betrifft", meint Falk Hermenau, Koordinator des Volkgsbegehrens Keine neuen Tagebaue. "Horno sollte das letzte Dorf sein, das für den Tagebau weichen muss - heute sehen wir, dass dieses Versprechen nichts wert war."

Immerhin, auch in Fürstenwalde gibt es Unterstützer des Volksbegehrens auf dem sonst karg besuchten Marktplatz: "Ich werde unterschreiben", sagt Rentner Siegried Strübing. "Man muss sich für die vernünftigere Alternative entscheiden und an die Zukunft denken. Die liegt nicht in der Braunkohle, sondern in erneuerbaren Energien".

Auf Menschen wie Strübing hofft das Volksbegehren auch in Frankfurt Oder, Cottbus und Falkensee, wo der Kohlosaurus demnächst noch Halt macht - vor dem Finale der Tour in Potsdam. Elf Tage sind noch Zeit.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

4 Kommentare

 / 
  • K
    Krwc

    p.s. Eine Renaturierung der Tagebauwüsten ist momentan aufgrund des Wasserhaushalts der Region unmöglich. Und was für Menschen zumutbar ist, kann keinesfalls diktatorisch verfügt werden - und armselig sind die alten, traditionsreichen Dörfer der Lausitz keinesfalls. Ganz so heruntergekommen wie deutsche Großstädte, allen voran Berlin, jedenfalls nicht.

  • K
    Krwc

    Hier geht es nicht "nur" um Ökologie. Hier geht es vor allem um Demokratie, und um die Frage, mit welchem Recht Menschen enteignet und Ortschaften zerstört werden dürfen. Das Bundesbergrecht, dass all dies möglich macht, stammt aus den dreißiger Jahren. Damals sollte es Deutschland kriegsfähig machen. Es enthält bis heute Sonderprivilegien, die den Kohleabbau ermöglichen, wo andere Belange von Gesellschaft und Umwelt dagegen sprechen. Dazu enthält das Bergrecht eine Zahl von undemokratischen Gesetzen. Die Braunkohlekraftwerke in der Lausitz gehören zu den klimaschädlichsten überhaupt. Am unrühmlichen: das KW Jänschwalde Cottbus. Millionen Tonnen Kohlendioxid werden ausgestoßen, dazu Schwefeloxide und unbekannte Schadstoffe, da hier große Mengen Müll mit verstromt werden. Die Folgen für Umwelt und Mensch sind schwerwiegend.

    Dazu kommt die Frage der Glaubwürdigkeit der Politik - mehrfach verkündigten die Ministerpräsidenten Stolpe und Brandenburg ein Ende gesellschaftszerstörenden Tagebaue. Bis zum Tag nach der Wahl, versteht sich. Die Brandenburger Landespolitiker sind unfähig, eine wirtschaftliche Infrastruktur zu errichten, wie die Liste ihrer Misserfolge zeigt. Die Menschen in den Lausitzer Dörfern sollen das nicht ausbaden müssen.

  • T
    thiotrix

    Volksbegehren mit „Kohlosaurus“ – deutsche Hysterie, deutsches Wohlstandshobby

     

    Grundlage des Volksbegehrens gegen neue Braunkohletagebaue ist mal wieder Hysterie und Unwissen. Daher finde ich es sehr erfreulich, daß bisher nur wenige Menschen von dieser Anti-Braunkohle-Hysterie angesteckt worden sind und dieses unsinnige Volksbegehren unterschrieben haben. Auch die schwachsinnige „Kohlosaurus“ - Aktion hat daran zum Glück nicht allzuviel geändert.

    Zur Information: Braunkohle ist für die deutsche Wirtschaft ein wichtiger Energieträger, der zu 100% im eigenen Land gefördert wird. 50 % des Grundlaststroms und 24 % der gesamten Stromerzeugung wird absolut verläßlich durch Braunkohle erzeugt, ohne die dramatischen Schwankungen von Wind- und Sonnenenergie. Es gibt keinerlei Abhängigkeiten von russischem Erdgas und Ölscheichs – und die zeitliche Reichweite der Braunkohle beträgt mindestens 200 Jahre, im Gegensatz zu Öl und Gas mit ca. 50 Jahren. (Nebenbei: Erdgas ist der wertvollste fossile Energieträger, der zugleich ein ungemein wichtiger Rohstoff für die chemische Industrie ist. Für Spitzenlast-Kraftwerke ist Erdgas unersetzlich, aber es ist viel zu schade, um es in gigantischen Mengen für die Grundlast-Versorgung zu verheizen.)

    Die vorübergehende Schädigung der Natur durch Braunkohle-Tagebau darf kein ernsthaftes Argument sein; seit Jahrzehnten werden (begonnen im bösen, bösen kapitalistischen Westen Deutschlands) „ausgekohlte“ Braunkohletagebaue aufwendig renaturiert und es entstehen Naturparadiese, die keinen Vergleich mit unberührter Natur scheuen müssen. Nur in der ach so progressiven DDR hinterließ der Braunkohletagebau ruinierte Mondlandschaften, die erst seit 1990 unter riesigem Kostenaufwand durch das kapitalistische System renaturiert werden.

    Und wenn ein paar armselige Dörfer weichen müssen, so ist auch das für die wenigen Bewohner zumutbar!

    Zur CO2-Belastung: auch wenn die Verstromung von Braunkohle die höchste CO2-Freisetzung pro KW aller fossilen Brennstoffe darstellt, so ist die CO2-Freisetzung im Weltmaßstab eher lächerlich. Kaum ein anderes Land nutzt Energie so effizient wie Deutschland.

    Im Weltmaßstab sind wir eine kleine Nummer bei der CO2-Freisetzung. Gegenwärtig werden pro Jahr weltweit 28 Milliarden t CO2 durch den Verbrauch fossiler Brennstoffe ausgestoßen. Der Anteil Deutschlands an der globalen CO2-Freisetzung beträgt gegenwärtig 3,2 % oder in absoluten Zahlen 880 Millionen t pro Jahr, Es sei daran erinnert, daß allein ein China im Jahre 2006 174 (in Worten: einhundertvierundsiebzig!) Kohlekraftwerke neu ans Netz gegangen sind und in 2007 noch ca. 120 weitere – und diese Kohlekraftwerke dürften bei weitem nicht so effizient und technisch ausgefeilt sein wie die deutschen Kohlekraftwerke.

    Die einzig sinnvolle (und dabei CO2-freie Ergänzung) der Stromversorgung in unserem Land sind die Kernkraftwerke! Also: laßt uns neue Kohlekraftwerke und neue Kernkraftwerke bauen – und tretet den Panikmachern, Hysterikern und Weltuntergangspropheten offensiv entgegen!

  • C
    CPZ

    Etwas mehr Wirtschaftsrealismus, bitte! Brandenburg ist ein rohstoffarmes Land. Kohle ist ein sehr zuverlässiger Energieträger, der weltweit noch 200 Jahre länger vorhalten wird als Erdöl oder Erdgas. Die Technik wird auch stets effizienter und dank der veröffentlichten Meinung ebenso "klimafreundlicher" (eigentlich sollte man den Begriff definieren, bevor man ihn verwendet). Die Nutzung ist aus dieser Perspektive nur all zu konsequent.

    Das Leben ist ein Kompromiss, ein Ausloten von Chancen und Risiken. Alles mit der ökologischen Brille zu betrachten ist naiv. Klimaveränderungen hat es in der Erdgeschichte immer gegeben. Alles eine Frage das Maßstabs. Wer die Welt konservieren will, der hat nichts begriffen.