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Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Transphobie„Ich empfehle tiefes Durchatmen“

Psycholog*in René_Hornstein fühlt sich oft ausgeschlossen. Und plädiert dennoch für einen entspannteren Umgang mit Geschlechtern.

Abwehr sind viele Trans-Bi-oder Intermenschen gewohnt – kein Grund, sich nicht dagegen zu wehren Foto: Unsplash/ Sharon McCutcheon
Heide Oestreich
Interview von Heide Oestreich

taz: René_Hornstein, das Verfassungsgericht verlangte 2017 eine dritte Option beim Geschlechtseintrag in Ausweisen. Nun kommt aus dem Innenministerium bald ein Gesetzentwurf dazu, in dem es laut ersten Informationen heißen soll: „männlich“, „weiblich“ oder „andere“. Wie fühlt man sich denn als „andere“?

René_Hornstein: Ziemlich „verandert“, „geothert“, sagt man in der Fachdiskussion, also ausgeschlossen. Als stünde ich in unserer bürgerlichen Ordnung in der zweiten Reihe. Ich darf zwar mitspielen, weil der Gesetzgeber dazu gezwungen wurde, aber nicht als gleichberechtigtes Mitglied mit einer eigenständigen Bezeichnung.

„Andere“ ist sicher auch der hilflose Versuch, mehrere Identitäten unter einen Hut zu bekommen. Was wäre besser?

Die grundsätzliche Frage ist, ob man das Geschlecht überhaupt erfassen muss. Ich bin davon nicht überzeugt. Man könnte aber auch „genderqueer“, oder „nicht-binär“, oder „weder-noch“ nutzen. Im internationalen Flugverkehr wird einfach der Buchstabe x verwandt.

Sie haben sich auch in Ihrer akademischen Arbeit damit beschäftigt, wie eine trans-wohlmeinende Gesellschaft aussehen würde. Was wäre wichtig?

Auf der persönlichen Ebene kann man Trans*menschen fragen, was sie sich an Unterstützung wünschen, mit welchem Pronomen sie bezeichnet werden möchten. Auf der Ebene der Institutionen sollte den Trans- und Interorganisationen zugehört werden. Das ist zum Beispiel jetzt im Innenministerium nicht geschehen. Wir werden nicht ausreichend wahrgenommen. Und das ist elementar, denn vielen Menschen ist nicht präsent, dass ich zum Beispiel, wenn ich in weiblich konnotierter Kleidung in die Öffentlichkeit gehe, Gewalt erlebe. Von verbaler Gewalt über Anspucken bis dahin, dass ich schon mal gewürgt wurde. Deutschland ist da noch nicht sehr weit.

Was muss auf der Gesetzesebene passieren?

Die progressiven Gesetzesentwürfe, die es gibt, müssen einfach nur verabschiedet werden. Das Transsexuellengesetz muss so weiterentwickelt werden, dass einer Person nicht vom Psychiater eine Störung bescheinigt werden muss, damit sie die Transition machen kann. Das ist eine Pathologisierung. Der Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie liegt auf dem 17. Mai, weil die WHO an diesem Tag einst die Homosexualität aus dem Katalog der Krankheiten gestrichen hat. Trans­identität wird aber immer noch so behandelt. Und die Operationen an intersexuellen Babies müssen strafbar werden. Dazu ist alles gesagt. Der Bundestag kann das heute entscheiden.

Im Interview: René_Hornstein

René_Hornstein ist Psycho-log*in, war lange im Vorstand der Bundesvereinigung Trans* und lehrt an verschiedenen Unis.

Gegenüber nicht-binären Personen gibt es oft Verunsicherungen. Menschen fürchten, das falsche Pronomen zu verwenden, stolpern zwischen Herr und Frau Hornstein hin und her und bekommen Angst, dass sie schon als transphob gelten, weil sie da Fehler machen. Wie gehen Sie damit um?

Ich empfehle tiefes Durchatmen. Man kann nicht durch die Welt gehen, ohne jemanden zu diskriminieren, auch ich diskriminiere aus Versehen Menschen. Eine Handlung kann eben verletzend sein, ohne dass das beabsichtigt war. In den meisten Fällen sind die Menschen ja guten Willens, sie entschuldigen sich und fragen nach, wie es am besten gehen würde.

Viele wollen sich schlicht nicht die Mühe machen, ihre Sprache zu überdenken. Was ist mit denen?

Das ist Abwehr, das bin ich gewohnt. Da muss ich nicht insistieren, jede Person darf machen, was sie will. Mit der muss ich ja nicht unbedingt zusammenarbeiten.

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5 Kommentare

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  • "Ich frage mich auch was das Geschlecht im Ausweis soll. Viel wichtiger wäre doch(für den Notfall) die Blutgruppe."

    Na ja, ganz so irrelevant ist das biologische Geschlecht aber auch nicht, denn viele Medikamente wirken bei Männern und Frauen unterschiedlich, Krankheiten äußern sich anders und theoretisch besteht bei biologischen Frauen Ggf. die Möglichkeit einer Schwangerschaft. All das muss nicht, kann aber im Notfall eine Rolle spielen. Von daher ist es nicht soo quatschig, das biologische Geschlecht im Ausweis zu vermerken. Es ist erst einmal ein wertneutraler biologischer Fakt mit mehr Impact als z.B. die Augenfarbe.

     

    "Das Transsexuellengesetz muss so weiterentwickelt werden, dass einer Person nicht vom Psychiater eine Störung bescheinigt werden muss, damit sie die Transition machen kann."

    Einerseits ja, denn Transsexualität als Krankheit zu bezeichnen ist sicherlich diskriminierend. Andererseits ist die Transition ein dermaßen starker, größtenteils irreversibler Eingriff bzw eine Reihe von Eingriffen (in einen physisch gesunden Körper!), dass eine vorherige und begleitende ärztliche wie psychologische Betreuung schon weiterhin wichtig wäre. Es gibt auch viele Zwischentöne und nicht für jedeN ist eine vollständige hormonelle und/oder operative Transition optimal bis notwendig, was sich aber manchmal erst im Lauf der Zeit herausstellt. Wenn jedeR "einfach so" zum Arzt gehen und eine Transition einfordern kann, ohne gleichzeitige Betreuung und Herausarbeiten/Abstecken der persönlichen Ziele hätte ich aus medizinischer Sicht da schon so meine Bedenken. Transition ist gesundheitlich etwas ganz anderes als einfach nur seine sexuelle Orientierung frei und gleichberechtigt ausleben zu wollen.

    Dennoch kann ich wie gesagt das Unbehagen mit der Kategorisierung als Krankheit auch verstehen.. Nur, man fordert eben starke medizinische Eingriffe ein, die auch kostentechnisch übernommen werden sollen.. Ohne die Kategorie Krankheit geht das schwer.

  • Ich frage mich auch was das Geschlecht im Ausweis soll. Viel wichtiger wäre doch(für den Notfall) die Blutgruppe.

  • Jau. Da is was dran.

     

    "...fühlt sich oft ausgeschlossen.Und plädiert dennoch für einen entspannteren

    Umgang mit Geschlechtern."

     

    Liggers - "Fiedje - kiek di dat an "Arbeitskräfte beiderlei Geschlechts gesucht!" "

    "Ja ok - ever keen hett dat denn?" Njorp.

     

    Jau. Das. Sollte entspannt der Vergangenheit angehören. Wollnichwoll.