Tag der offenen Moschee: Allahs Alltag
Montag ist Tag der offenen Moschee. Unsere Autorin hat vorab schon mal in München ein Gotteshaus besucht. Wie sie begrüßt wurde? Natürlich mit "Grüß Gott".
MÜNCHEN taz | Wer nicht weiß, was sich hinter den Mauern dieses Gebäudes befindet, käme wohl nie auf die Idee, vor einer Moschee zu stehen. Ein fünfstöckiges Bürogebäude in München-Obergiesing. Ein Betonkasten, im Erdgeschoss befindet sich ein Geschäft für Farben und Lacke. Nur ein Schild neben dem Eingang verweist auf das islamische Kulturzentrum.
Obwohl die wenigsten christlich geprägten Deutschen aus eigener Anschauung wissen, wie es in den deutschen Moscheen zugeht, gibt es Meinungen und Vorurteile zuhauf. Von "Hasspredigern" ist vor allem seit 9/11 immer wieder die Rede, von "Moscheen als Rekrutierungsort für Dschihadisten". Seit 1997 soll der Tag der offenen Moschee der Mehrheitsgesellschaft die religiöse Normalität der Muslime näherbringen. Doch was passiert dort eigentlich an den restlichen 364 Tagen im Jahr? Um das herauszufinden, hilft nur eins: Einfach rein in so eine Moschee und das an einem normalen Montag.
Im Eingangsbereich liegt ein Dutzend ausgelatschter Halbschuhe. Ein Aufkleber zeigt einen durchgestrichenen Schuh. Den Boden bedecken Teppiche für die von nun an strumpfsockige Besucherin. Im ersten Stock steht die Türe zu einem hellen Raum mit einer Teeküche offen. Mehrere schnauzbärtige Männer in Bundfaltenhosen stehen zusammen und nippen an bauchigen Teegläsern. Einer der Männer, er trägt einen schwarzen Anzug, löst sich aus der Gruppe: "Sie sind sicher wegen der Stelle als Sozialpädagogin hier", sagt er auf Deutsch. "Das Büro des Imams ist im dritten Stock."
Ehrenamtlich Tee kochen
Der Imam heißt Polat Akinci, 30 Jahre alt, geboren in München. Die schwarzen Haare hat er nach hinten gegelt und den Schnauzer kurz gestutzt. Von Vollbart keine Spur. Er habe gleich eine Teambesprechung, sagt er und erzählt noch, dass die Fatih Camii Moschee dem Verband der islamischen Kulturzentren e. V. angehört, der 1973 gegründet wurde: für muslimische Gastarbeiter, die damals nach Deutschland kamen. In der Gemeinde seien 95 Prozent türkische Einwanderer. Neben der Moschee ist im Haus noch ein Schülerwohnheim für Jungen untergebracht. "Um kurz nach eins beginnt das Mittagsgebet. Trinken Sie doch bis dahin einen Tee", sagt er, dann eilt er davon.
In der Teeküche macht sich der 64-jährige Cemalettin Çakin an der Spüle zu schaffen. Çakin - etwas untersetzt, kurzes graues Haar - ist Frührentner, seit die Firma, in der er als Fließbandbäcker angestellt war, pleite ging. Anders als der Imam spricht er gebrochenes Deutsch. Er koche hier täglich ehrenamtlich Tee und mache ein wenig sauber.
Die Männer von vorhin haben ihr Pläuschchen in einen der angrenzenden Räume verlegt. Die Kühlung des Getränkeautomaten brummt. Warum sie mich wohl allein lassen? Ob sie vielleicht genauso fremdeln wie die meisten Nichtmuslime?
Plötzlich stürmen mehrere Jungen in die Teeküche. "Grüß Gott, geht es Ihnen gut?" Sie lassen sich neugierig im Kreis um die Besucherin nieder. "Wir wohnen hier", sagt der 13-jährige Can-Ahmet Açatürk. Er sei hier, weil er sich in der Schule verbessern wolle. Zu Hause habe er nicht so viel Ruhe zum Lernen, erklärt er.
Kurz nach eins dringt der Ruf des Muezzins aus einem Lautsprecher in der Teestube und die Jungs tollen in den dritten Stock. Hinter einer Eisentür mit der Aufschrift "Gebetsraum" liegt ein verwinkelter, aber heller Raum, der von mehreren blau-gefliesten Säulen getragen wird. Einige Männer haben sich bereits vor der verzierten Gebetsnische hingekniet. Schließlich betritt der Imam den Raum und beginnt einen Singsang. Mit dem ersten "Allahu akbar" hebt das Dutzend Gläubige die Hände zu den Ohren. Danach beugen sich die Männer vor, knien nieder, werfen sich hin. Sie beten.
Schwätzchen beim Tee
"Unter der Woche ist hier nicht so viel los", erklärt der Imam später. Auf seiner Stirn haben sich Schweißperlen gebildet. Zum Freitagsgebet und an islamischen Feiertagen sei der Raum meist gut gefüllt. Nichtmuslime kämen selten hierher, sagt er. Gefragt, ob er das nicht bedauere, macht er ein verwirrtes Gesicht. Die Gemeinde beteilige sich rege an allen kommunalen Gremien im Viertel. "Doch selbstverständlich", sagt er dann, Besucher seien jederzeit gerne gesehen, "aber was hätten die Nichtmuslime für einen Grund, zu kommen?"
In der Teeküche halten die Gläubigen erneut ein Schwätzchen. Es ist wieder der Mann mit dem schwarzen Anzug, der sich umwendet. "Wir lachen gerade darüber, dass Sie ausgerechnet Cemalettin interviewt haben, der arbeitslos ist und bei uns Tee kocht", sagt er amüsiert und deutet auf die Männer im Raum. "Alle anderen gehen einer Arbeit nach. Der ist Busfahrer, er Diplommediendesigner, der hier leitet das Reisebüro nebenan und ich bin Unternehmensberater." Ich nippe an dem Tee, den man mir gereicht hat und stimme in das befreiende Lachen des Mannes mit ein. Stimmt, denke ich. Auch in meinem Kopf greifen die Stereotype über Muslime trotz aller Offenheit. Gut, dass ich gekommen bin.
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