Tacheles-Hof wird geräumt: Der Gerichtsvollzieher kommt
Es wäre das endgültige Ende für die Kunst im Tacheles – heute soll auch der Hinterhof des Kunsthauses geräumt werden. Die Künstler wollen indes nicht aufgeben.
Am Dienstag um acht soll endgültig Schluss sein fürs Tacheles: Dann hat sich laut den letzten dort verbliebenen Künstlern der Gerichtsvollzieher zur Räumung des Hinterhofs angesagt.
Bereits im vergangenen September wurde die 1990 besetzte Kaufhausruine an der Oranienburger Straße geräumt. Seitdem harrt noch ein gutes Dutzend Künstler auf dem Hinterhof aus, aktuell mit Bretterverschlägen und etlichen Metallskulpturen – hinter Zäunen versteckt, von Sicherheitsleuten des Zwangsverwalters, der HSH Nordbank, beäugt. Im April verloren auch sie ihren Räumungsprozess vor dem Landgericht. Dass am Dienstag nun der Vollzug ansteht, wurde auch vonseiten der Zwangsverwalter bestätigt.
Die Künstler wollen indes nicht aufgeben. „Das Tacheles konnte seit 23 Jahren nicht vollständig geräumt werden, das wird es auch diesmal nicht“, sagt Metallkünstler Hüseyin Arda. Nicht im Räumungstitel genannt sei der Wegstreifen zwischen den Open-Air-Ateliers, etwa ein Drittel der bis heute verbliebenen Kunstfläche. Den, so Arda, werde man weiternutzen. Auch sei Berufung gegen die Räumung eingelegt worden. Aufschiebende Wirkung hat diese aber nicht.
Wie es nach einer Räumung mit dem Gelände weitergeht, bleibt offen. Ein Zwangsversteigerungstermin, wie im April 2011 schon mal angesetzt und wieder abgesagt, steht weiter aus. Laut den Künstlern soll aber der Hamburger Investor Harm Müller-Spreer, der auch das Spreedreieck bebaute, bereits Vorverträge mit der HSH geschlossen haben. Er soll auch hinter den Abfindungen stecken, die ein Anwalt in den letzten zwei Jahren Künstlern für den Auszug aus dem Tacheles zahlte.
Müller-Spreer bestreitet beides. „Ich habe mit den Zahlungen nichts zu tun“, sagte er der taz. Auch gebe es keine Vorverträge mit der Bank. Das Tacheles-Areal nennt er aber „hochinteressant“. Über ein Gebot werde er jedoch erst bei der Versteigerung entscheiden.
Auch die Künstler haben Interesse an dem Grundstück und wollen über eine Stiftung mitbieten. Misslingt dies, so Arda, wäre man auch bereit, unter einem neuen Besitzer in das Haus wieder einzuziehen: „Ein Tacheles-Plagiat ohne den Freiraum wird ohnehin nicht funktionieren.“ Arda verweist auf 1998, wo die Tacheles-Künstler bereits Mieter einer inzwischen insolventen Fundus-Immobiliengruppe waren - für einen symbolischen Betrag von einer Mark. "Aus künstlerischer Sicht war das eine durchaus erfolgreiche Zeit."
Am Montagnachmittag begaben sich die Künstler vorerst auf einen „Kunstspaziergang“ durch Mitte, auf der Suche nach neuen Domizilen für ihre Skulpturen. Danach wollten sie auf ihrem Nochhinterhof ein Konzept für „das Neue Tacheles“ besprechen, die ganze Nacht hindurch – bis zum Eintreffen des Gerichtsvollziehers.
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