Tach auch: Könige im Wandel
■ Die neue kleine sowie erbauliche Montagskolumne der taz / 32. Versuch
Heute, liebe Naschkätzchen und Tellerablecker, will ich über Gourmets, Gourmands und Gourmandisen schreiben. Chor der Naschkätzchen: Booooey, das klingt wie der Titel des ebenso vielbändigen wie renommierten Gaststättenführers eines begnadeten Geschmacksknospenkultivierers! Chor der Tellerablecker, eifersüchtig: Kann der überhaupt kochen respektive über Kochen schreiben? Na da wünschen wir ihm aber ähem .... Hier stockt der Chor der Tellerablecker, weil es zwar für Bergsteiger „Hals- und Bein-“, für Seeleute „Mast- und Schot-“ und für Einbrecher „Guten Einbruch!“ gibt, aber für Schreiber gibt es weder Filzstift- noch Maus- noch Tastaturbruch, höchstens Ehebruch, und selbst abgebrühte Tellerablecker zögern, einem Schreiber so en passant „Guten Ehebruch!“ zu wünschen.
Nehmen wir also im Geiste Platz an der Tafel der Deutsch-Englischen Gesellschaft Oldenburg e.V., die sich neulich zum Traditionellen Spargelessen traf. Während ein gewisser Seelmann-Eggebert über „Das 50jährige Thronjubiläum der Queen: Ein Königshaus im Wandel“ schwadroniert, kauen blaßhäutige Schwerenöter und ladylike Zippen mit lila Haaren an jenen bleichen Stangen herum, von denen polnische Spargelstecher sagen, in ihrer Heimat wüßte kein Mensch, daß man dieses Zeugs essen kann. Nun nistet in allen Deutsch-Englischen Gesellschaften ein Humor genannter Altherrenwitz, der sich liebend gern mit Sekt und Spargel und Seelmann-Eggebert-Gequak verbündet und für Außenstehende überraschend oft in einer Ausgelassenheit mündet, die einer viktorianischen Orgie in nichts nachsteht. Das alles macht der Spargel, der in seiner Symbolkraft sogar den Stinkmorchel (phallus impudicus) übertrifft. Seine Blässe ist britisch, seine Anmutung viril – nur die resultierende Pisse riecht schlimmer als der Kassenwart der Deutsch-Englischen Gesellschaft Oldenburg unterm Arm.
Und so wollen wir in dieser Woche einer Randgruppe gedenken, die es schwer hat: die Spargelesser, die sich gerade einer Eigenurintherapie unterziehen müssen. Burkhard Straßmann
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