Tach auch: Über Armleuchter
■ Die neue kleine und erbauliche Montagskolumne der taz / 47. Versuch
Das kennen Sie: Manchmal ist man mit einem dermaßen falschen Fuß aus dem Bett gestiegen und psychisch einfach so unvorzeigbar, dass man sich vernünftigerweise sagt: „Hoppla, dieser Tag kann keinesfalls besser werden und ist darüber hinaus so beschaffen, dass er nicht mal noch schlechter werden kann. Also gehe ich heute nicht unter Menschen.“ An solchen Tagen will man nicht mit seinen Geizen reizen und auch nicht für Blutsbrüder heizen, weder Klotüren abbeizen noch Liebesbriefe einleitzen oder gar plattdeutsche Plattheiten einschweizen. An solchen Tagen passiert es einem, dass man nach dem Telefonat mit Herrn D. von der Agentur „AIRFOLKreich werben“ den Hörer auf die Gabel schleudert und schreit: „Armleuchter!“
Und nun komme ich zum Kernpunkt meiner heutigen Epistel. Ich habe nämlich Anlass zu vermuten, dass Telefonverbindungen schon Sekunden vor dem eigentlichen Telefongespräch zustande kommen und auch Sekunden danach noch bestehen, wenn man den Hörer schon auf die Gabel geschleudert und „Armleuchter“ gebrüllt hat.
Neulich piepst im Kino mein Handy (übrigens kennen Sie die Episode: Klingelt im Kino während einer tränenschweren Sequenz ein Handy. Entsetzen, Entrüstung, Zorn im Saal. Ruft es aus der letzten Reihe: „Aha! Das billige Handy von Nokia!“ Der Saal bricht in ein Gelächter aus, dass sich die Decke hebt.) Also, es piepst, ich zische „Scheiße!“, nestelte das Krawallgerät aus meiner Jacke, drückte auf irgendeinen Knopf, und eine Stimme knurrt in mein Ohr: „Überhaupt nicht Scheiße. Hugo ist hier!“
Die Verarbeitung dieses Erlebnisses kostete mich mehrere Tage. Ich war demoralisiert bis zu dem Tag, als ein auffallend reserviert formuliertes Fax eintraf des Inhalts, dass es nun doch keine Freikarten mehr für das europaweit einzige Konzert mit der Legende Julio d'Anastasi gebe. Unterzeichnet: D., Agentur „Armleuchter werben“.
Burkhard Straßmann
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