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TV-SenderSat.1 zeigt's allen

Der Sparkurs der ProSiebenSat.1 AG trifft vor allem die MitarbeiterInnen in Berlin - und bedeutet den Abschied von der Nachrichtenkompetenz

Thomas Kausch räumte 2004 sein ZDF-Büro und ging zu Sat.1. Nun ging er erst einmal in den Urlaub Bild: sat1

"200 Million Hopes, 200 Million Feelings, 200 Million Dreams" hatte der Programmtrailer vor knapp drei Wochen verkündet, als die ProSiebenSat.1 AG den "Kauf" der SBS-Senderholding vor der Presse feierte. Was in dieser Auflistung fehlte, waren "200 Jobs", und zwar gestrichene: In dieser Größenordnung soll sich nach Gewerkschaftsschätzungen der gestern den Betriebsräten der Sendergruppe in Berlin und München verkündete Stellenabbau mindestens bewegen.

"Unglaubliche Wut" herrschte gestern bei Sat.1 in Berlin, wie Mitarbeiter berichten: Einen Tag vor der heutigen Aktionärs-Hauptversammlung informierten die Chefs ihre Untergebenen, doch da hatte das Meiste schon in der Zeitung gestanden. Ab heute hat das Sat.1-Programm, dass ohnehin mit Akzeptanzschwierigkeiten beim Publikum kämpft, also ein Loch mehr: "Sat.1 am Mittag"-Moderatorin Mareile Höpner verabschiedete sich gestern eher kryptisch. Denn das Magazin "mit guter Unterhaltung, praktischer Lebenshilfe, bewegenden Geschichten, aktuellen Nachrichten und neuestem Klatsch" (Sat.1-Selbstdarstellung) ist ab sofort gestrichen. Am 31. August fällt dann auch der Hammer für die Nachtausgabe der "Sat.1 News". Damit ist die vom ehemaligen Sat.1-Chef Roger Schawinski verkündete Info-Offensive des Privatsenders endgültig abgewürgt. Thomas Kausch, 2004 als "begabtester, spannendster Nachrichtenmann des deutschen Fernsehens" (Schawinski über Kausch) vom ZDF zu Sat.1 gelotst, hat schon am Freitag offenbar für immer sein Büro verlassen - "und Ruhe ist", heißt es im Sender. Offiziell ist der Mann glücklicherweise gerade im Urlaub.

Die unter Kausch mit großem Aufwand renovierten "Sat.1 News" um 18.30 Uhr laufen zwar weiter, dafür kommt "Sat.1 am Abend" heute zum letzten Mal. Ob dies auch die regionalen Nachrichtenformate betrifft, die Sat.1 in einigen Bundesländern ausstrahlt, war gestern bis Redaktionsschluss noch unklar. Hier könnten sich aber Schwierigkeiten mit der über die Programmlizenz wachende Medienaufsicht ergeben, da die Mediengesetze einzelner Länder solche Regionalfenster vorschreiben.

Dass eine neue Sparwelle auf die Sendergruppe zurollt, war dabei immer klar: "Effizienzsteigerungen" und "ein paar Stellenstreichungen" hatte ProSiebenSat.1-Vorstand Guillaume de Posch schon beim vermeintlichen "Freudentag" Ende Juni angedroht. Denn die Neu-Besitzer von ProSiebenSat.1, die Investmentgruppen KKR und Permira, hatten in bester Heuschrecken-Manier die Kosten des SBS-Kaufs dem neuen Unternehmen aufgebürdet. Von 30 Prozent Rendite-Ziel ist in einem internen Schreiben an die MitarbeiterInnen die Rede - im gebeutelten deutschen Privat-TV ein absurder Wert.

Man wolle die Einsparungen "friedlich über die Bühne bringen", hatte de Posch noch in München versichert. Für die dort ansässigen Sender ProSieben, Kabel 1 und den Nachrichtenkanal N 24 mag das angehen. Doch in Berlin, wo Sat.1 wie schon so häufig den Löwenanteil der Sparbeschlüsse schultern muss, gilt das nicht. 50 bis 60 Stellen - mehr als ein Viertel der Gesamtbelegschaft - sind hier betroffen. "Das ist ein Skandal", heißt es in Gewerkschaftskreisen, die Betriebsräte hätten gestern in München wie Berlin getagt, am Freitag ist Personalversammlung: "Die wird hübsch."

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