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TV-Sender haben Angst vor Google-TVDie Dauer-Mediathek

Beim Medienforum in Köln üben deutsche Privatsender und öffentlich-rechtlicher Rundfunk den Schulterschluss. Gegen die Macht der US-Konzerne.

Kann alles mit allen und zu jeder Zeit: Google TV. Bild: google

KÖLN taz | Google-TV drängt auf den Markt - und ein neues Apple-Gerücht macht die Runde. Noch in diesem Jahr werde das erfolgsverwöhnte Unternehmen einen neuen Markt aufmischen und einen eigenen Fernseher veröffentlichen. Das Gerät ist natürlich voll vernetzt, lässt sich mit dem iPhone bedienen und bringt jederzeit die neusten US-Serien und Spielfilme auf den Bildschirm.

Mit den kürzlich angekündigten Online-Diensten in der iCloud könnte der Apple-Fernseher die klassischen TV-Geräte und auch die Hybrid-Geräte der Konkurrenz alt aussehen lassen. Und noch wichtiger: wer braucht noch Fernsehsender, wenn er die gewünschten Sendungen ohne Verzögerung direkt von der Quelle beziehen kann?

Es sind solche Visionen, die beim Medienforum für Unruhe sorgen. Für drei Tage haben sich Größen aus Verlagen, Film- und Fernsehwirtschaft in Köln getroffen, um die neusten Entwicklungen zu erkunden, bestehende Gesetze zu beklagen und neue zu fordern. In ungewohnter Eintracht traten ARD-Vorsitzende Monika Piel und der Präsident des Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) Jürgen Doetz auf dem Medienforum auf.

Gemeinsamer Gegner

Hatten sich beide Seiten in früheren Jahren noch ausgiebig um Programmplatzierungen und Werberegeln gestritten, haben die deutschen Senderbetreiber diesmal einen gemeinsamen Gegner gefunden: Plattformbetreiber und Gerätehersteller, die derzeit den Markt mit so genannten Hybridgeräten überschwemmen, die das klassische Fernsehen mit Internetdiensten verbinden. Schon Ende des Jahres wird jeder zweite verkaufte Fernseher internetfähig sein, schätzt der VPRT. Auch Google drängt mit seiner eigenen Fernsehplattform "Google TV" auf den Markt – wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten.

"Wir haben den Eindruck, dass diese Entwicklungen von der Politik nicht genug begleitet werden", erklärte Piel in Köln. Denn während deutsche Fernseh-Anbieter sich an Gesetze wie Werbebeschränkungen zu halten haben, können sich die Internet-TV-Hersteller ihre Angebote weitgehend unbehindert vom deutschen Vorschriften ausbauen. Doetz fürchtet gar um die "Integrität des Fernsehsignals".

In letzter Minute hatten sich die europäischen Senderbetreiber 2010 auf einen internationalen Standard für die Internet-Fernsehwelt geeinigt: Hybrid broadcast broadband TV oder kurz: HbbTV. Ähnlich dem guten alten Videotext können Zuschauer auf Knopfdruck zusätzliche Informationen zu Sendungen abrufen – natürlich multimedial und mit Rückkanal zum Sender.

Gleichzeitig bietet HbbTV einen einfachen Einstieg in die Online-Mediatheken der Sender. So kann der Kunde mit einem internetfähigen Fernseher immer die neuste Folge der Tagesschau oder eine Nachmittags-Soap auf den Bildschirm holen – sofern der Sender das Material kostenlos ins Netz stellt.

Angebote nach Senderfamilien getrennt

Doch für den Kunden hat das Angebot einen entscheidende Nachteil. Nach wie vor sind die Angebote nach Senderfamilien getrennt. Wer den Tatort sehen will, muss sich erst durch das ARD-Angebot klicken, wer lieber den Krimi auf Pro7 sehen will, muss sich durch das Angebot des Privatsenders klicken. Statt Internet mit Fernsehen zu vereinen, werden die Internetangebote in Senderfamilien unterteilt.

Und so wundert es nicht, dass die Hersteller eigene Portale programmieren. Nachteil für den Kunden: nicht bei jedem Gerät sind tatsächlich alle Online-Videotheken verfügbar. Was auf dem Computer problemlos läuft, ist nur über Umwege auf den Fernsehbildschirm zu bekommen.

Dass die Hersteller sich nicht an die Vorgaben der Sender halten, birgt für die ARD-Vorsitzende Piel aber noch weiteres Missbrauchspotenzial. "Die Gerätehersteller können über unsere Inhalte Werbung einblenden", so Piel. So sei es möglich, dass die Plattform-Betreiber nach einer Verfolgungsjagd im Tatort automatisch dazu passende Auto-Werbung anzeige.

Eine andere Befürchtung: Branchenschwergewichte könnten den Sendern besonders gute Sendeplätze teuer verkaufen. Wer nicht auf die Bedingungen von Google, Apple und Sony eingeht, bleibt draußen.

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4 Kommentare

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  • O
    Oliver

    Die Angst ist nur dann berechtigt, wenn Internet-Anbieter in dem Sinne als TV-Anbieter auftreten, wie dies TV-Sender bislang machen: Indem sie ein Programm anbieten und nicht einzelne Sendung on demand. Oder indem sich die Sehgewohnheiten zu on-demand verändern.

     

    Das on demand funktioniert jetzt schon und ist man im Internet gewohnt, aber auch seit Jahrzehnten im heimischen Wohnzimmer: Ich kann gezielt Filme auf Video aufnehmen und mir irgendwann anschauen - jetzt halt auf Festplatte. Genauso kann ich in die Videothek gehen. Oder auf Vimeo und Youtube. Oder die Seiten der TV-Sender. Das ist insgesamt nur für einen gewissen Benutzerkreis eine Alternative zu herkömmlichem Fernsehen. Man kann hierbei nunmal nicht einfach das Gerät einschalten und irgendwas blubbert hervor und unterhält (oder verärgert) einen für mehrere Stunden am Stück. Das ist - momentan noch - ein Steckenpferd der TV-Sender.

     

    Dies mag sich ändern. Auf der einen Seite durch mehr Leute, die gezielt zu einem persönlich definierbaren Zeitpunkt bestimmte Sendungen sehen möchten (also on demand dem herkömmlichen TV-Programm vorziehen) und auf der anderen Seite durch Internet-Anbieter, die ein Internet-Vollprogramm anbieten. Im Audiobereich existiert dies bereits, sogar in Deutschland. Im TV-Bereich ist das naturgemäß komplizierter und mit mehr Kosten verbunden.

     

    Es ist zudem verständlich, dass TV-Sender keine Ideen haben, wie sie überhaupt ein TV-Programm im Internet anbieten könnten. Alles, was normalerweise für einen TV-Sender funktioniert, klappt dort nicht, z.B. angefangen von zeitbasierten Reichweitenanalysen und teuren Werbeslots zu bestimmten Uhrzeiten. TV-Sender favorisieren meist entweder Streaming (also wie normales TV) oder on demand für bereits im Streaming gesendetes Material. Hier entsteht eine Konkurrenzsituation, denn es kollidiert die klassische Sender-Idee ("das hier läuft um 20:15") mit der klassischen Internet-Idee ("alles immer und überall zu jeder Zeit"). So kollidiert also die um 20:15 gestreamte Sendung mit allen anderen überall verfügbaren on demand-Inhalten. Es ist klar, dass das nicht funktionieren kann, denn das Konkurrenzangebot wächst minütlich.

     

    Ich vermute, dass sich im ersten Schritt die Sender einzelne Portale für ihre einzelnen zusammengeschlossenen Kanäle bauen werden und dann diese Plattformen miteinander konkurrieren werden. Das ist sinnlos und Zeitverschwendung, da ich heute schon keinen Gedanken mehr an Sender verschwende, sondern nur Sendungen schaue. Ist mir doch egal, wo die laufen. Im zweiten Schritt wird es vermutlich unterschiedliche Streaming-Anbieter geben, die unterschiedliche Sender vereinen, so wie momentan das Ganze in Amerika im normalen Kabelnetz funktioniert. Das wird dann ergänzt um zusätzliche Internet-only-Kanäle (redaktionell ausgewählte Beiträge aus Videoplattformen) und einer globalen Suche über die ganzen anderen Videos, die irgendwo im Internet herumliegen, plus on demand ("ausleihen") von Filmen, Serien und Dokumentationen.

     

    Die entsprechenden Weichen sind jetzt schon in bestimmte Richtungen gestellt, wenn man sich z.B. Netflix oder das Apple TV anschaut. Die Frage ist nur, ob die TV-Anstalten sich schnell genug bewegen können. Ich bezweifle dies. Es wird interessant zu sehen, wie dies in Zukunft die Produktion von Eigenmaterial verändern wird (Reportagen, Dokumentation, Serien, Shows, Filme). Gerade die dann nötige alternative Messung von "Einschaltquoten" über den kompletten Lebenszyklus z.B. einer Serie (Austrahlung, späteres on demand) kann dazu führen, dass sich die Inhalte deutlich verändert werden, da on-demand-Betrachter mehr wert sind als live-Betrachter und über den längeren Zeitraum mehr on-demand-Betrachter als live-Betrachter auftreten könnten. Eine in der Live-Ausstrahlung nicht erfolgreiche Sendung könnte sich über das on-demand-System als sehr erfolgreich herausstellen und damit die jetzigen Formate aus dem Rennen werfen.

  • T
    Thomas

    Was soll so schwer daran sein ein HD-Kabel vom Laptop zum Fernseher zu führen und auf Play zu drücken?

     

    Ich weiß besser als manch anderer um die Dummheit der deutsch...ähm Alt...ach die Dummen die sich nicht mit irgendetwas anderem als ihrem Stuhlgang beschäftigen. Aber selbst diese Einzeller werden irgendwann diesen Vorgang verstehen -.-

  • A
    anonymous

    oh, mann bald kann man das gejammer nicht mehr hören:

     

    erst bestehen sie darauf das computer "neuartige" (rundfunk-)empfangsgeräte sind und dann meckern sie wieder wenn fernsehgeräte in "neuartige" medienformen eingebunden werden.

     

    eigentlich ist beim heutigen stand der technik gar kein unterschied oder trennung von rundfunk und internet mehr nötig. alle diese informationskanäle wachsen zusammen.

     

    es ist eine unart gesellschafliche und geschäftliche entwicklungen zu behindern oder zu verunmöglichen nur um das eigene geschäftsfeld zu sichern. dies wollen auch meist nur diejenigen durchsetzten, die sich auch sonst unsozial verhalten und möglichst eine "one-way-kommunikation" ohne rückmeldungsmöglichkeit betreiben wollen.

  • B
    Buntseher

    Da unsere Privat- aber auch die Öffentlich-Rechtlichen Sender in den letzten Jahren aus unseren Gebührengeldern vermehrt ausländische Programme einkaufen oder immense Lizenzgebühren für Sportrechte ausgeben ist diese Entwicklung doch begrüssenswert. Wozu brauchen wir die Zwischenhändler?

     

    Vielleicht wären unsere Sender gut damit beraten wieder Vernünftiges selbst zu produzieren.