TV-Lizenzen in Griechenland: Syriza muss umschalten
Die Syriza-Regierung versteigerte Sendelizenzen für das Privatfernsehen. Ein Gericht entschied nun, dass dies verfassungswidrig ist.
Der Stein des Anstoßes: Das Gericht kippte das Gesetz Nr. 4339/2015. Die Links-rechts-Regierung unter Alexis Tsipras hatte es im vorigen Herbst verabschiedet. Die Federführung hatte Athens Sonderminister Nikos Pappas, engster Weggefährte von Tsipras. Das Ziel des „Gesetzes Pappas“: Nach 27 Jahren endlich Ordnung zu schaffen im hellenischen Privat-TV. Das Syriza-Narrativ: Die privaten Fernsehsender hätten bisher ohne formal wasserdichte Lizenzen Informationsprogramme ausgestrahlt. Alle Vorgängerregierungen hätten „provisorische Betriebsgenehmigungen“ verlängert. Immer wieder: 15-mal in 27 Jahren.
Und genau dies sei die Geburtsstunde einer sündhaften Dreiecksbeziehung zwischen omnipotenten Fernsehsendern und ihren kapitalkräftigen Eigentümern, korrupten Bankern und der Politik gewesen.
Bisher strahlen neben der öffentlich-rechtlichen ERT landesweit acht private Fernsehsender solche Programme aus. Die Regierung Tsipras startete Ende August eine höchst umstrittene Auktion. Nach 66 Stunden stand fest, wer die strikt auf vier begrenzten Sendelizenzen ergatterte: zwei „alte“ Medienmogule sowie zwei „neue“. Sie boten 255 Millionen Euro, für eine Lizenzdauer von nur zehn Jahren. Die Summe war in drei Raten fällig. Die erste Rate sofort, der Rest bis September 2018. Zwar warf einer der neuen TV-Akteure schnell das Handtuch, weil er die erste Rate nicht fristgerecht bezahlen konnte. Doch ein anderer Bewerber rückte nach. Alles schien seinen Lauf zu nehmen.
Wer darf das Fernsehen neu ordnen?
Doch nun machen die obersten Verwaltungsrichter der Regierung Tsipras einen Strich durch die Rechnung. Hintergrund: In Griechenland existiert bis heute kein Verfassungsgericht. Wer Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit prüfen will, ruft daher die höchsten Verwaltungsrichter vom STE an. In der Causa „Gesetz Pappas“ taten dies alle bisher ausstrahlenden Fernsehsender. Konkret wollten sie wissen, wer das Privat-TV neu ordnen darf: die Regierung – wie in diesem Fall geschehen – oder nur der Nationale Fernseh- und Rundfunkrat (ESR) – wie von der Verfassung ausdrücklich festgeschrieben. Das Urteil: Nur der ESR dürfe Sendelizenzen vergeben, keine Regierung.
Doch seit etwa einem Jahr gibt es keinen ESR. Der Grund: Die Regierung und die Opposition können sich nicht auf die Mitglieder einigen. Dafür ist eine breite Vierfünftelmehrheit im Parlamentspräsidium nötig, auch nach dem STE-Urteil kein leichtes Unterfangen.
Unstrittig ist hingegen, dass das Urteil für die Regierung Tsipras eine Blamage ist. Medienpolitisch, aber auch politisch. Die Meistbieter müssten nun das bisher schon gezahlte Geld für den Erwerb der Sendelizenzen zurückerstattet bekommen – immerhin fast 90 Millionen Euro. Zudem bleiben die zwei neuen TV-Akteure nun plötzlich außen vor, während die bisher acht TV-Sender weitersenden könnten.
Doch die Regierung Tsipras geht nun aufs Ganze. Noch in der Nacht griff Athens Regierungssprecherin Olga Gerovasili die STE-Richter scharf an. Es sei „das gleiche Gericht, das die Sparpolitik und die Schließung des Staatssenders ERT sowie den Schuldenschnitt zu Lasten von privaten Gläubigern des griechischen Staats als verfassungskonform beurteilt“ habe.
„Nichts wird den Willen der Regierung verhindern, Ordnung in der Fernsehlandschaft zu schaffen“, so Gerovasili. Das Gericht habe ein „vorübergehendes Urteil“ gefällt. Bereits am Montag werde die Regierung ein neues Gesetz ins Athener Parlament einbringen, ausdrücklich auf Grundlage des „Gesetzes Pappas“. Nicht nur für das Gericht ein Affront.
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