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TU hat Forschungsobjekt verkauftDer letzte Urwald wird abgeholzt

Ein naturbelassener Wald, den Forscher der TU über Jahrzehnte erforscht haben, wird gerodet. Damit verschwinden vom Aussterben bedrohte Pflanzen, klagt der Ökologe Franz Rebele.

Jetzt ist bei der TU Schluss mit einem eigenen Forschungswald. Bild: ap

30 Jahre lang hat Franz Rebele die Planzen erforscht, die jetzt zerstört werden. Viele Generationen von Studierenden haben mit dem Privatdozent für Ökologie an der Technischen Universität Bäume vermessen, Pflanzen kategorisiert und Vögel beobachtet. Ihre Frage: Was passiert mit einem Grundstück in der Stadt, das der Natur und sich selbst überlassen wird?

Jetzt kreischen auf dem Grundstück die Sägen, Arbeiter fällen die Bäume. Rebele steht mittendrin und schaut zu, wie sein Forschungsobjekt, sein Kind, zerstört wird. Das macht ihm sichtlich zu schaffen. "Es ist ein Unding, dass man als Wissenschaftler so behandelt wird - Freiheit von Forschung gibt es nicht, wenn es um Geld geht", sagt Rebele.

Das 3.000 Quadratmeter große Gelände in einem Villenviertel von Dahlem wird seit 1928 als landwirtschaftliche Versuchsfläche genutzt. Bis Kriegsende machten Phosphatwerke dort Düngerversuche. Nach 1945 lag es brach und wurde später vom Lehrstuhl für Obstbau an der landwirtschaftlichen Fakultät genutzt. 1968 erhielt das Institut für Ökologie die Fläche.

Bis vor kurzem fand man auf dem Grundstück fast alle Baumarten des Berliner Raums, außerdem fast 300 wildwachsende Pflanzenarten, von denen nach Angaben Rebeles rund 50 auf der Roten Liste stehen. "Wir können nicht einmal die vom Aussterben bedrohten Pflanzen, die hier wachsen, in Sicherheit bringen", sagt Rebele. So wachse hier etwa die Sibirische Schwertlilie, Pflanze des Jahres 2010, und der vom Aussterben bedrohte Blut-Storchschnabel.

Einige der Bäume auf dem Grundstück dürften ohne eine Genehmigung des Bezirksamtes eigentlich nicht befällt werden: Sie haben in Höhe von 1,30 Meter einen Umfang von mehr als 80 Zentimetern. Doch eine solche Genehmigung gibt es nicht - das kann mit bis zu 50.000 Euro geahndet werden.

Als die taz den Umfang der gefällten Bäume nachmisst und die Stämme fotografiert, wird einer der Baumfäller agressiv. Er greift sich einen herumliegenden Ast in Größe eines Baseballschlägers, kommt drohend auf den taz-Fotografen zu und schreit, er solle sofort das Grundstück verlassen: "Wir wollen hier keine Presse!"

Die Technische Universität kann dazu am Mittwoch keine Stellung nehmen. Das Grundstück sei in der vergangenen Woche verkauft worden, so Pressesprecherin Kristina Zerges. In dem Exposé, in dem die Universität das Grundstück zum Kauf anbot, hatte es geheißen, es liege "im zentrumsnahen Villen- und Einfamilienhausgebiet Dahlem" und sei "dicht mit Sträuchern und Bäumen bewachsen". Welche Bedeutung das Grundstück und die Pflanzen darauf haben, erfuhren die potenziellen Käufer in dem Exposé nicht.

Der Naturschutz-Stadtrat von Steglitz-Zehlendorf, Uwe Stäglin (SPD) hat am Mittwoch zwei Mitarbeiter vor Ort geschickt. "Es gibt für uns keine Basis, um einzuschreiten", sagt er. Die Mitarbeiter hätten nicht festgestellt, dass die Bäume so dick sind, dass sie unter die Baumschutzverordnung fallen.

Es komme nicht selten vor, dass Bäume wild gefällt werden, sagt Herbert Lohner, Naturschutzreferent beim Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz. "Das liegt daran, dass die Personalausstattung der Naturschutz- und Grünflächenämter seit Jahren unter dem Bedarf ist und immer noch weiter zurückgefahren wird." Es gebe außerdem zu wenige Mitarbeiter in den Bezirken und diese seien nach seinem Eindruck oft nicht ausreichend ausgebildet. "Wir bekommen von Nachbarn immer wieder Hinweise auf illegale Baumfällungen."

In dem Exposé bewarb die Universität das Grundstück mit dem Hinweis, der Bebauungsplan lege ein "ein allgemeines Wohngebiet und offene Bauweise fest". Rebele befürchtet, dass auf dem Grundstück drei Villen gebaut werden sollen.

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7 Kommentare

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  • Z
    zat

    @timo berger:

    Ich wünsche der Berliner Schickeria vor allem Besuch von großen, dicken, selbstbewussten Wildschweinen...

     

    Wie kann es eigentlich sein, dass die TU trotz allen umweltpolitischen Erkenntnissen des Jahres 2010 - es ist ja nicht so, dass sie nicht selber mitforschen würden - einen solchen Verkauf tätigt bzw. tätigen darf? Frustrierend.

  • J
    Jochen

    Es handelt sich offenbar um den Ökologischen Versuchsgarten Kehler Weg in 14195 Berlin.

    Lage:

    http://www.stadtplandienst.de/Map.aspx?sid=32705BC8308FAFAB97F7362A0A83C92D

     

    Weitere Infos u.a. hier:

    http://www.rosarose-garten.net/kehler_weg

    http://www.gruene-uni.org/mach_mit/index.php?id=69

  • J
    Jochen

    Der Verantwortliche in der Stadt sollte eigentlich wissen, dass er sich mit der Fällaktion strafbar macht, falls es auf dem Grundstück geschützte Arten gibt (oder gab). Mal wieder eine Skandalgeschichte mehr, aber langsam gewöhnt man sich daran...

  • T
    Technixer

    Jawolla, endlich noch mehr Villen für die gesellschaftliche Elite!

    Wär ja auch eine Schande, wenn Herr und Frau 'Von-und-Zu' in einem "normalen" Haus bleiben müssten und nicht mit ihren Cayennes und Q7 usw. in das Wohnzimmer ihrer Villa hineinfahren könnten. Es würde mich bei all der deutschen Dekadenz nicht wundern, wenn den Bauherren noch ein Umweltpreis verliehen wird, weil die Häuser so energieeffizient und aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut werden.

     

    Da ich in Dahlem studiere erscheint es mir langsam, als ginge es gar nicht bergab. Genügend Geld scheint ja vorhanden zu sein. Weiß gar nicht was die öffentliche Hand klagt.

    Da fahren die Cayennes rum, als ob es die Dinger beim Aldi um die Ecke gäbe. Ich bekomm das kotzen bei solcher Ignoranz, Dekadenz und Selbstbereicherung.

     

    Elitär ... ja, zur Gesellschaft, gehören solche Menschen mit Sicherheit nicht mehr.

  • RU
    Rechtsstaat und Demokratie

    Das sind ja hammerharte Mafia-Methoden. Brutal.

     

    Behörden und Kommunalpolitiker stellen sich einfach dumm, Journalisten werden bedroht und angegriffen, Transparenz fehlt völlig. Dubiose Hintermänner dürfen mit Billigung von ganz oben in aller Ruhe vollendete Tatsachen schaffen. Das ist Willkür, keine Rechtsstaatlichkeit. Und leider ist das kein Einzelfall. Leere Kassen dienen da nur als Vorwand, um Untätigkeit zu rechtfertigen. So wird der Staatsapparat zum Komplizen von Kriminellen.

     

    Gegen Bares geht alles. Gesetz? Nie gehört. Naturschutz? Was ist denn das? Demokratie? Kann man das essen???

     

    So schleichen sich nach und nach Zustände ein, die uns einer südamerikanischen Bananenrepublik immer ähnlicher machen.

  • SM
    Sags mir

    Kann mir jemand konstruktiv erklären, was das soll?

  • TB
    Timo Berger

    Ja nicht nur im Amazonas wird abgeholzt, auch in Dahlem. Ich erinnere mich noch an vergangenes Jahr als engagierte Nachbarn temporär zumindest, das Fällen von Uferbäumen am Landwehrkanal stoppten. Wenn wir wirklich glaubwürdig sogenannte Schwellenländer oder sogenannte Drittweltstaaten davon abhalten wollen, ihre Wald und CO2 Rückhalteressorte zu schützen, dann müssen wir selber mit bestem Beispiel vorangehen. Aber wir wissen ja die Berliner Schickeria und die neureichen Zuzügler stehen auf Villen in Viertel ohne Migranten. Also fressen sie sich immer weiter in den Berliner Urwald... Ich wünsche ihnen die Tigermuecker auf den Hals, die Fesseln und Achseln, sollen sie doch an Dengue und Malaria darben, bis sie ihr Häuser verlassen und gen Norden ziehen, an der Sansibar-Beach auf Sylt, stehen Sekt und Selters bereit! Prost!