piwik no script img

TROTZ UMTS UND KONKURS: MOBILCOM BLEIBT EINE PROFITABLE FIRMAPleite dank Größenwahn

Der wahre Star des deutschen Telekom-Marktes muss in den kommenden Tagen Konkurs anmelden – die Mobilcom AG mit Sitz in Schleswig-Holstein. Wie hatte die Firma doch unter ihrem agilen Gründer und Chef Gerhard Schmid bis vor kurzem noch den deutschen Markt aufgewirbelt. Als nach der Liberalisierung alle dachten, höchstens ein paar reiche Stromkonzerne würden dem alten Monopolisten Deutsche Telekom die Telefonkunden streitig machen, kam die kleine Mobilcom mit schmissigen Werbekampagnen und trieb die Telekom ebenso wie die Ableger der Stromkonzerne mit ihren niedrigen Tarifen vor sich her. Das Geheimnis von Schmids Mannen: Sie legten keine teuren Leitungen, sie mieteten nur an.

Mobilcom lieferte ein Lehrstück in Sachen Marktwirtschaft und bescherte den Telefonkunden weit niedrigere Tarife, als die Liberalisierer selbst in kühnsten Träumen erhofft hatten. Dann aber packte sie – gemeinsam mit der ganzen Branche – der Gößenwahn. Beim angeblich kommenden Boom der Multimedia-UMTS-Handys wollten die Nordlichter plötzlich selbst ganz groß in Hardware investieren und nahmen deshalb die angeblich finanzkräftige France Télécom an Bord. Ein Trugschluss in jeder Richtung: Weder ist UMTS anwendungsreif, noch wollen die Kunden den Mehrpreis dafür zahlen. Außerdem ist die France Télécom nicht etwa reich, sondern steht am Rande des Bankrotts. Deshalb drehen die Franzosen nun der teuren deutschen Tochter den Geldhahn zu und schreiben ihr Investment als Verlust ab.

In Deutschland sind nun einige tausend Arbeitsplätze in Gefahr, vor allem in Schleswig-Holstein. Wie immer, wenn in der Marktwirtschaft was schief läuft, wird der Ruf nach Hilfen durch Bundes- und Landesregierung laut. In diesem Fall macht das sogar Sinn: Immerhin bleibt Mobilcom abseits der UMTS-Geschichte eine profitable Firma. Unter einem geeigneten Insolvenzverwalter und mit Bürgschaften der öffentlichen Hand dürfte also ein Großteil der Arbeitsplätze die Pleite überdauern. Und falls die Multimediahandys doch irgendwann einmal kommen sollten, kann Mobilcom ja immer noch ihr altes Erfolgsrezept anwenden und sich einmieten. REINER METZGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen