TROTZ NEUBAUTEN DER NACHBARN: DIE NUKLEARTECHNIK HAT AUSGEDIENT : Wehret den Lobbyisten!
Immer das gleiche Spiel: Wenn sich irgendwo auf der Welt ein Land dahingehend äußert, seine Atomkraft ausbauen zu wollen, dann verbreiten die Lobbyisten das sofort genüsslich. Vor allem Polen ist nun ein willkommener Kandidat für solche Propaganda – erstens ist es unser Nachbar und zweitens gibt es dort bislang keine Reaktoren. Also versuchen nun jene, die mit der Atomgefahr in Deutschland sattes Geld verdienen, den deutschen Ausstieg zur einzigartigen Fehlentscheidung zu stilisieren. Doch wir sind klug beraten, die Deutungshoheit über dieses Thema nicht den Lobbyisten zu überlassen.
Denn trotz einzelner Neubauten hat die Nukleartechnik langfristig keine Chance: Wird sie doch immer unwirtschaftlicher, während die erneuerbaren Energien im Preis sinken. So kostet in Finnland der Bau des Reaktors Olkiluoto mindestens 4,5 Milliarden Euro (statt der geplanten 3 Milliarden); der neue Reaktor im französischen Flamanville wird ähnlich teuer. Die Mär vom billigen Atomstrom widerlegen zugleich die Energiebörsen: In Frankreich ist der Strom im Großhandel auch nicht billiger als in Deutschland. Zudem birgt die Atomspaltung immer ein Risiko. Vattenfall versucht das gerade mit der Verpflichtung des ehemaligen Direktors der Internationalen Atomenergieorganisation, Hans Blix, zu verschleiern. Bizarr ist dabei die Sehnsucht des Konzerns, der seit 2007 als „Vattenstörfall“ bekannt ist: „Vattenfall möchte dafür anerkannt werden“.
Doch Anerkennung gilt vielmehr denen, die auf Zukunftsenergien setzen – gerade Polen, das seine Windkraft massiv ausbaut. Mitte 2008 waren im Land 350 Megawatt installiert, mehr als doppelt so viel wie anderthalb Jahre zuvor. Und stramm soll es weitergehen auf 2.000 Megawatt im Jahr 2010. Längst ist sicher: Ehe Polen auch nur eine einzige Kilowattstunde Atomstrom erzeugt, werden die erneuerbaren Energien im Land uneinholbar etabliert sein. Die Technologie wird übrigens großteils aus Deutschland kommen – auch ein Grund, hierzulande am Ausstieg festzuhalten.
BERNWARD JANZING