TOBIAS SCHULZE ÜBER DEN BESUCH DES US-AUSSENMINISTERS KERRY : Keine Zeit für die NSA
41 Minuten lang stand Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Mittwochvormittag mit seinem US-Kollegen Kerry vor der Presse. Sie redeten über Ebola und den Iran, über IS und die Ukraine. Nur ein Thema sprachen die beiden nicht an, und später schonte auch Angela Merkel den Amerikaner: Zur NSA-Affäre verloren am Mittwoch weder Steinmeier noch die Kanzlerin eine einzige Silbe. Ein weiteres Mal hat sich die Bundesregierung vor deutlichen Worten zum Spähskandal gedrückt.
Nach Edward Snowdens Enthüllungen hatte sie monatelang die Gelegenheit für eine klare Ansprache verstreichen lassen. Sowohl Schwarz-Gelb als auch die Große Koalition hätten der US-Regierung damals klarmachen können, dass sie auf Aufklärung bestehen. Stattdessen forderte Berlin halbherzig ein No-Spy-Abkommen und ließ sich mit einer Abfuhr aus Washington abspeisen.
Dieses Versagen rächt sich jetzt: Für eine Aussprache zum Thema ist schlicht keine Zeit mehr. „Die Welt scheint aus den Fugen geraten“, betont Steinmeier seit Wochen und liegt damit nicht mal falsch. In der Ukrainekrise muss der Westen gegenüber Russland Geschlossenheit zeigen. Im Kampf gegen IS muss er an einer gemeinsamen Strategie feilen. Und um Anschläge deutscher Dschihad-Heimkehrer abzuwehren, könnten sich Infos der US-Dienste gerade jetzt als hilfreich erweisen.
In dieser Situation muss die Bundesregierung kaum mehr Kritik fürchten, wenn sie die NSA-Affäre unter den Tisch kehrt. Zumindest Steinmeier kommt das gelegen. Im Kanzleramt war er einst für die Kooperation mit den US-Geheimdiensten zuständig. Käme das Thema jetzt wieder auf die Tagesordnung, würde es für ihn ungemütlich.
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