TAZ-SERIE "NEUES SOZIALES BAUEN" (1): Der Billigbau fürs Kollektiv
In Prenzlauer Berg planen der Exbesetzer und Architekt Bernhard Hummel und das Büro Clemens Krug Architekten einen Neubau. Die Baukosten liegen bei revolutionären 1.300 Euro pro Quadratmeter.
Nein, über das Grundstück will Bernhard Hummel noch nicht reden. Der Architekt und alternative Projektentwickler verrät lediglich, dass es sich in Prenzlauer Berg befindet. "Der Kaufvertrag ist noch nicht abgeschlossen, das wollen wir nicht gefährden." Worüber Hummel aber gerne redet, ist das Besondere an dem Neubauprojekt, das er betreut. "Wir bauen zu einem Preis von 1.300 Euro pro Quadratmeter, inklusive Grundstück."
Seitdem die Mieten in Berlin, vor allem bei Neuvermietungen, so rasant steigen, wird wieder über Neubau gesprochen. Nur, wer soll da überhaupt bauen und zu welchen Konditionen. Dass der alte soziale Wohnungsbau nicht wiederbelebt wird, ist Konsens. Wie aber sieht ein neuer sozialer Wohnungsbau aus? Wer baut für wen? Soll der Neubau vermietet werden oder an Eigentümer verkauft? Und welche Fördermodelle stehen zur Verfügung? Bernhard Hummel kennt die Debatte, doch sein Projekt steht außerhalb. Nicht nur wegen der niedrigen Baukosten. "Wir bekommen auch keine Fördermittel. Was wir machen, ist im Grunde frei finanzierter Wohnungsbau."
Bernhard Hummel ist Exhausbesetzer aus Friedrichshain und seinen politischen Zielen treu geblieben. Wohnraum darf keine Ware sein. Die Häuser denen, die drin wohnen. Deshalb hat er sich vor einiger Zeit auch dem Mietshäuser Syndikat angeschlossen, einem Netzwerk von Hausprojekten, die eines verbindet: Die, die drin wohnen, sind keine Eigentümer, sondern Mieter. Damit das auch so bleibt, hat das Syndikat eine besondere Organisationsstruktur. Jedes Haus ist eine GmbH mit zwei Gesellschaftern: dem Hausverein und dem Syndikatsverein. "Bei allen Fragen, die die Zukunft des Hauses betreffen, muss ein Konsens erzielt werden", erklärt Hummel. "Damit verhindern wir, dass eine Bewohnergruppe die Wohnungen als Eigentumswohnungen unter sich aufteilt." Aber auch das Syndikat kann das Haus nicht verkaufen.
In Berlin herrscht Wohnungsknappheit. Neubau tut not. Doch der soziale Wohnungsbau ist Geschichte. Viel zu teuer wurde in den 80er und 90er Jahren gebaut, und die Subventionen landeten meist bei den Investoren.
Wie aber kann man sozialverträglich - und also billig - bauen? Die taz erkundet in einer Serie Projekte und Modelle, die das Bauen in der Stadt verändern können.
Mittlerweile 50 Hausprojekte hat das Mietshäuser Syndikat in Deutschland, die Nachfrage ist groß. "Immer wieder kommen Gruppen und fragen nach einem Mietshaus", sagt Hummel. Doch da hakt es meist. Leerstehende Mietshäuser sind knapp und teuer, Grundstücke dagegen gibt es hier und dort noch. So kam es auch zur Idee mit dem Neubau in Prenzlauer Berg, dem ersten Neubauprojekt des Syndikats in Berlin. "Wir haben die Gruppe gefragt, ob sie sich nicht auch einen Neubau vorstellen kann." Sie konnte. Der Preis, den der Bau kostet, war das entscheidende Argument.
Im Ernst-Thälmann-Park sitzen Oliver Clemens und Robert Burghardt von Clemens Krug Architekten und breiten die Pläne für den Neubau aus. "Luxus wird das nicht", sagt Clemens und verweist auf die Gruppe, die sich auf das Wagnis eingelassen hat. "Alles junge Leute, die im Kollektiv wohnen wollen." Ganz bewusst hat die Gruppe deshalb auf klassische Wohnungszuschnitte mit Küche und Bad je Wohnung verzichtet. "Im Vordergrund stehen die Gemeinschaftsräume", sagt Clemens. Entsprechend kleiner fallen die Zimmer aus. Und die 20 BewohnerInnen teilen sich vier Bäder. "Das Raumprogramm", sagt Clemens, "hat erheblich zur Reduzierung der Baukosten beigetragen."
Und, so paradox es klingt, die niedrige Bebauungsdichte. "Unser Grundstück ist schmal, aber tief", sagt Clemens "Wir hätten entweder einen mehrgeschossigen Bau an der Straße realisieren können oder einen langgestreckten, zweigeschossigen Baukörper, der die ganze Tiefe des Grundstücks ausnutzt und in dem alle Zimmer nach Süden orientiert sind." Die Bewohner entschieden sich für Letzteres. Zwar sieht der revolutionär preisgünstige Neubau nun von der Straße aus wie eine moderne Baracke. "Dafür haben wir aber an Gründungskosten gespart, die wir bei vier oder mehr Geschossen gehabt hätten." Und weil die Gruppe auch auf Keller verzichtet, bleibt alles im Kostenrahmen. An einem wollen die Architekten aber nicht sparen. "Das Haus hat KFW-70-Standard." Das ist zwar noch kein Passivhaus - aber immerhin.
Und was, wenn die Bewohner aus dem Projekt einmal herauswachsen? Wenn es ihnen zu eng wird? Wenn die Ansprüche steigen? Clemens zuckt mit den Schultern und sagt, dass auch flexiblere Raumprogramme diskutiert wurden, die auf veränderte individuelle Ansprüche reagieren können, zukünftig mehr Bäder erlauben und etwas weniger Gemeinschaftsraum. "Die Gruppe hat sich bewusst für die Variante mit gleichen Zimmergrößen und viel Gemeinschaftsfläche entschieden." Wer etwas anderes will, muss also ausziehen. Das Haus kann nicht durch die individuellen Ansprüche verändert werden, sondern bleibt der Idee des kollektiven Wohnens verhaftet.
Nur eines haben auch die Architekten und Bernhard Hummel nicht geschafft: wohnen zum Nulltarif. "Obwohl die Baukosten so niedrig sind, wird die Miete am Ende bei sieben Euro pro Quadratmeter liegen", sagt er. Das sind 300 Euro pro Bewohner. Hätte die Gruppe doch noch ein Mietshaus gefunden, wäre sie unter Umständen billiger weggekommen.
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