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Archiv-Artikel

TAZ-ADVENTSKALENDER: SANDERSTRASSE 15 Zwischen allen Labels

15. DEZEMBER Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum Glück gibt es Adventskalender: Da darf man täglich eine nummerierte Tür öffnen – und sich überraschen lassen

Wer Ammo Recla durch das Schaufenster an seinem Rechner sitzen sieht, erkennt einen geschäftigen jungen Mann am Computer. Kurze Haare, Dreitagebart. Erst auf den zweiten Blick gibt es eine Irritation: Sind es die Ohrringe, die leicht weibliche Figur? Irgendwas passt nicht ins heterosexuelle Schema.

Der Verein ABqueer, der in der Sanderstraße 15 sein Büro hat, ist für alle da, die dieses Schema hinter sich gelassen haben – Lesben, Schwule, Bisexuelle, Menschen mit queeren, trans- und intergeschlechtlichen Lebensweisen. Über diese Vielfalt will ABqueer aufklären: Mitglieder des Vereins zwischen 18 und 27 Jahren gehen in Schulen und berichten ehrenamtlich von eigenen Erfahrungen. Finanziert wird das Büro von der Antidiskriminierungsstelle des Landes.

„Die Jugendlichen sollen Infos bekommen, die sie im normalen Unterricht und in Mainstreammedien nicht kriegen – etwa dass Schwulsein nichts Exotisches ist“, erklärt Recla. Der 43-jährige Geschäftsführer sagt, es gebe nach wie vor hätten überraschend viele Jugendliche noch nie Kontakt zu Menschen mit einer nicht-heterosexuellen Orientierung gehabt – jedenfalls nicht wissentlich. „Manche sagen, sie finden sowas eklig“, sagt Recla, der sich als Trans-Mann bezeichnet. Ob Neukölln oder Wilmersdorf, Sekundarschule oder Gymnasium – die Äußerungen seien letztlich dieselben. Sie fragen: Schämt ihr euch nicht? Wärt ihr nicht gerne anders? Wie habt ihr Sex?

Besondere Homophobie bei Muslimen erlebten sie nicht, so Recla. Er beschreibt etwas anderes: „Wenn Jugendliche konservative Eltern haben, die sehr den traditionellen Geschlechteridealen anhängen, gibt es wenig Spielraum. Ob christlich oder muslimisch, ist dann egal.“

Einmal habe ein Junge gesagt, er würde seinen Bruder totschlagen, wenn der schwul wäre. Ein Mädchen habe erwidert: „Bist du bescheuert? Du liebst doch deinen Bruder!“ Recla fand das gut. In dem Jungen habe es angefangen zu arbeiten. Das sei, was ABqueer wolle – in der Hoffnung, dass die Jugendlichen anderen Lebensweisen dann respektvoller begegnen. ANTJE LANG-LENDORFF

www.abqueer.de