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Archiv-Artikel

TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Ungeliebter Wiedergänger Sartres

Kann ein Urteil über einen Philosophen vernichtender sein als jenes, das Michel Houellebecq über Bernard-Henri Lévy (BHL) fällte, als er ihn in dem gemeinsamen Briefband „Volksfeinde“ (demnächst auf Deutsch bei Dumont) als „Philosoph ohne Ideen, aber mit guten Beziehungen“ charakterisierte? Schwerlich, vor allem nicht, wenn sich jener Philosoph in der Tradition der Moderne als „engagierter Intellektueller“ versteht. Dessen jüngste Wortmeldung zielte auf die Parti socialiste: Sie müsse sich auflösen, forderte er im Interview mit dem Journal du Dimanche. In der Tat scheint die PS gerade ausschließlich mit innerparteilichen Querelen beschäftigt, während in Frankreich die radikalsten Arbeitskämpfe seit langem toben.

Das Verhältnis der französischen Linksintellektuellen zu den Parteien war seit der Résistance stets enger als etwa in Deutschland. Und wenn Lévy die desolate Lage der PS mit der der Parti Communiste Ende der 70er-Jahre vergleicht, meint er jenen Zustand, in dem nach Algerienkrieg und Mai 68 von der einst so großen Verbundenheit mit den Linksintellektuellen nichts mehr übrig war.

Also fordert Lévy in den Worten Camus’ die Neugründung einer Linken unter neuem Namen, weil: „Indem man die Dinge falsch benennt, trägt man zum Übel in der Welt bei.“ Interessant sind nun nicht die Ideen des BHL, sondern dass er in Redeposition und Rhetorik in den 50er-Jahren stecken geblieben ist, wenn er von einer neuen Linken Antifaschismus, Antikolonialismus und Antitotalitarismus fordert. Haben wir es also mit einem klassischen „Pathetiker der universellen Moral“ zu tun, wie solch ein Habitus in einer Anthologie über den sozialhistorischen Wandel des Intellektuellen („Fliegende Fische“ beim Fischer Verlag) charakterisiert ist?

Warum er sich entschieden habe, ein engagierter Intellektueller zu sein, lautet eine Frage Houellebecqs an Lévy. Nun, er müsse sich für andere verantwortlich fühlen, um zu existieren. Das ist das Problem.

■ Die Autorin ist Kulturredakteurin dieser Zeitung Foto: privat