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T-Shirt-Poesie Ziegenbärte

■ Der deutsche Schlager lebt: Bernd Begemann sang & klampfte im „Tower“ Saunaerlebnisse und Ziegenbärte

Wann konnte die Deutsche Hitparade je mit Liedertiteln aufwarten wie „Jetzt bist du in Talkshows“ oder „Du wirst dich schämen für deinen Ziegenbart“? Eben. Für sowas braucht es schon Barden vom Schlage eines Bernd Begemann oder Tilman Rossmy. Mit einer sturzherzlichen, zuletzt sogar sturzbetrunkenen Vorstellung sorgten die beiden Hamburger für Hochstimmung bei der Abschlußvorstellung ihrer gemeinsamen Tour. Der Gig im Bremer Club „Tower“ mündete gar in einem improvisierten Limbowettbewerb – kurz: ein Live-Erlebnis, das für viele frustrierende Konzertbesuche entschädigte und Kraft für neue gab.

Die beiden sind richtig gute Kumpel, die auf der Bühne Sauna-anekdoten erzählen, sich zum Tourabschied ihrer beiderseitigen Liebe versichern und sowieso alles gemeinsam tun.

So gab es keine konventionelle Vor-/Hauptgruppenunterteilung. Der Bernd fungierte zunächst als Gitarrist der „Supermusikband“, die Rossmys wie seinen eigenen Auftritt begleitete, und wechselte danach ans Gesangsmikro. Der Tilman versicherte zunächst dem Publikum, daß zu Hause da sei, wo man eine gute Zeit habe und er die beste selbstverständlich „hier und heute abend in Bremen“ habe. Das tat er im Verlauf des Abends noch so oft, daß die Ironie auch bis in die hinteren Reihen durchschimmerte.

Eine Qualität, die vielen seiner weinerlichen Balladen nicht innewohnt. Es sei denn, es geht so wunderschön zu wie im Stück mit dem Titel „Body Count-T-Shirt“: „Sie sagte: Ich steh eigentlich auf Männer mit langen Haaren (...) und dann zog sie ihr Body Count-T-Shirt aus.“ Die Geschichten, die er im Vorfeld seiner Songs zum besten gab, waren derweil meistens besser als die Umsetzungen der eigentlichen Stücke, die gefährlich zwischen Geklampfe und Bryan Adams-Rock schwankten.

Noch bessere Entertainer-Qualitäten legte Bernd Begemann an den Tag. Der hatte allerdings seine Rechnung ohne die Bremer Szeneprominenz gemacht. Um Lokalkolorit zu verbreiten, erzählte er die tragische Geschichte von der „Tower“-Bedienung („Harry macht den besten Club in der Stadt, aber er sollte seine Mädchen besser bezahlen!“), die eine Weltreise antreten möchte, aber für DM 10 in der Stunde auch noch ihren Vater durchbringen muß, der seinen Job auf der Werft verloren hat. „Lowlanders“-Drummer Guido Müller, immer der politisch Korrekte, war darüber so erzürnt, daß er den Hamburger Liedermacher mit Bier bespritzte, was sich während des Konzerts zu einem waschechten Egokrieg zuspitzte. Irgendwann hatte Herr Begemann die Faxen des Herrn Müller dicke und bat ihn auf die Bühne, auf daß er es besser mache. Dieser verscheuchte prompt den Schlagzeuger und machte es ein improvisiertes Stück lang tatsächlich besser als dieser.

Andreas Neuenkirchen

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