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Systematische Überfälle von Skins in Ost-Berlin

■ Am vergangenen Wochenende häuften sich die Überfälle rechtsradikaler Schlägertrupps auf Kneipen und Jugendklubs in der Hauptstadt / Ost- und West-Skins schlagen gemeinsam zu / Ostberliner Polizei ahndet die Angriffe nur als „Sachbeschädigung“ / Angst in der Szene

Die MitarbeiterInnen von Ostberliner Jugendklubs und Cafes klagen zunehmend über Attacken und Angriffe rechtsradikaler Skinheads auf ihre Einrichtungen. So wurde erst am vergangenen Samstag morgen der Jugendklub in der Sophienstraße, Bezirk Mitte, von einer Gruppe jugendlicher Skinheads überfallen. Dabei wurde eine große Schaufensterscheibe zerstört und die Eingangstür malträtiert. Zeugen beobachteten, wie mehrere Skinheads mit Steinen und Stuhlbeinen warfen. Nach fünf Minuten war der Spuk vorbei, die Täter verschwanden unerkannt in einem Golf. Der Schaden, den sie anrichteten, beträgt rund 1.500 Mark.

Schätzungen zufolge leben in Ost-Berlin rund 500 Skinheads. In der Nacht von Freitag auf Sonnabend wurde auch das Cafe in der Schliemannstraße (Prenzlauer Berg) von den rechtsradikalen Schlägern überfallen. Ein Zeuge berichtete der taz, daß die Skinheads aus fahrenden Autos Steine gegen die Fenster geworfen hätten und dann wieder verschwunden seien. Zuvor habe ein Skinhead noch „Ihr roten Schweine!“ gebrüllt. Die Ost-Skins bekommen offensichtlich Verstärkung aus dem Westen: Zwei der PKWs hatten westliche Nummernschilder.

Die Skinheads kamen morgens um halb 5 noch mal zurück. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich nur noch etwa zehn Gäste im Cafe, die von einem Dutzend vermummter und mit Baseballschlägern ausgestatteter Männer überfallen wurden. Die Gäste verbarrikadierten sich in der Küche, wähend die Angreifer das Mobiliar zertrümmerten.

Die geschilderten Ereignisse sind bei weitem keine Einzelfälle. Die Angestellten anderer Jugendklubs, wie der Club 29 oder das „Jojo“, berichten über ähnliche Vorfälle. Zu einer regelrechten Schlacht zwischen Skinheads und Linken kam es am 17. März in der Schönhauser Allee, als die Rechtsradikalen das besetzte Haus dort stürmen wollten. Die benachbarte Polizei verhinderte das Schlimmste. „Die Anschläge richten sich gegen alle Einrichtungen mit vornehmlich intellektuellem Publikum“, meint der Leiter des Klubs in der Spohienstraße und befürchtet, „daß die eine Liste von solchen Treffs haben und systematisch vorgehen“.

Die Polizeibeamten der Station Prenzlauer Berg behandeln die Überfälle als „Sachbeschädigung“. Solche Delikte stünden „nicht gerade an der Spitze der Prioritätenliste“ erklärte ein Polizeihauptmann der taz. Auf die Frage, ob auch die politische Motivation der Täter bei der Fahndung berücksichtigt werde, meinte der Mann: „Wie Sie wissen, haben wir einen neuen Innenminister (Diestel, DSU-Mitglied, d. Red). Wir müssen warten, wie er für uns rechts und links definiert.“

ccm/ost-taz

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