Syrien in der UN-Vollversammlung: Verlust des Stimmrechts droht
Wegen der Sanktionen gegen Syrien kann das Land seine UN-Mitgliedsbeiträge nicht mehr zahlen. Nach einem Sturz Assads würde die Opposition 11 Milliarden Dollar benötigen.
NEW YORK/DAMASKUS/ABU DHABI dapd/dpa/rtr | Syrien kann aufgrund der internationalen Sanktionen seine UN-Beiträge offenbar nicht mehr zahlen. Keine US-Bank erlaubt dem syrischen UN-Botschafter Baschar Dschafari zufolge der syrischen Regierung noch, ein Konto zu eröffnen.
Seit 1945 habe Syrien seine UN-Beiträge immer rechtzeitig gezahlt, sagte er am Donnerstag dem Haushaltskomitee der Vollversammlung der Vereinten Nationen. Durch die „ungerechten und einseitigen Sanktionen“ der USA und anderer Länder sei dies nun nicht mehr möglich. Ein Rückstand bei der Beitragszahlung kann zu einem Verlust der Stimmrechte in der Vollversammlung führen.
Wenn Syrien kein Konto eröffnen könne, werde es seinen Beitrag nicht bezahlen können, aus Gründen, die nichts mit der finanziellen Situation seines Landes zu tun hätten, sagte Dschafari. Er forderte die USA auf, ihrer Verantwortung als Gastgeber der UN-Zentrale nachzukommen und Abhilfe zu schaffen. Ein Sprecher der US-Mission bei den Vereinten Nationen sagte, die USA unterstützen die UN-Missionen mehrerer Länder bei der Suche nach einer Bank. Er sagte nicht, welche Länder betroffen sind.
Sturz Assads wird teuer
Nach einem Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad würde die Opposition nach eigenen Angaben schnell eine Milliardensumme benötigen, um das Land zu stabilisieren. „Die Kosten für den Wiederaufbau in den ersten sechs Monaten nach dem Zusammenbruch des Regimes werden auf 11,5 Milliarden Dollar geschätzt“, sagte ein Vertreter des Syrischen Nationalkongresses am Donnerstag bei einem Treffen in Abu Dhabi.
Mit dem Geld müsse insbesondere die Landeswährung gestützt werden, weil die Regierung die meisten Devisenreserven verbraucht habe. Zudem müsste die Arbeitslosigkeit bekämpft und Lebensmittelhilfe bezahlt werden.
Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) kündigten die Einrichtung einer gemeinsamen Wiederaufbau-Initiative für Syrien an. Beide Staaten hätten zunächst je 600.000 Euro in Aussicht gestellt, um die Leitung eines solchen Projekts aufzubauen, sagte ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums.
Annan reist nach Damaskus
Der UN-Vermittler für Syrien, Kofi Annan, wird am kommenden Montag in Damaskus erwartet. Das verlautete am Freitag aus syrischen Regierungskreisen. Annan, dessen Friedensplan für Syrien von Experten inzwischen als wenig erfolgreich bezeichnet wird, will nach Angaben von Regimekritikern in Damaskus auch Oppositionelle treffen und mit den UN-Militärbeobachtern sprechen.
Die meisten bekannteren Oppositionellen halten sind allerdings inzwischen aus Angst vor Verfolgung im Ausland auf. Die UN-Beobachter waren im April als Teil des Annan-Plans nach Syrien geschickt worden. Sie sollen eine Waffenruhe überwachen, die bislang nur auf dem Papier existiert.
Nach Angaben von Aktivisten und Bewohnern der syrischen Hauptstadt wird Annan eine Stadt vorfinden, die weniger friedlich ist als bei seinem letzten Besuch im März. Die oppositionelle Website All4Syria berichtete, in einem Wohnviertel, in dem viele hohe Funktionäre und Generäle wohnen, sei diese Woche eine größere Zahl von Soldaten und bewaffneten Mitarbeitern der Sicherheitsdienste stationiert worden.
In mehreren der besseren Viertel der Stadt tauchten erstmals Straßensperren auf. Zwar gab es seit Beginn der Revolution im März 2011 auch in Damaskus mehrere Terroranschläge und Demonstrationen, die mit Gewalt beendet wurden. Doch insgesamt ist die Lage in der Hauptstadt bislang weniger kritisch als in Protesthochburgen wie Homs, Hama, Idlib oder Daraa.
Aktivisten meldeten, in der Provinz Hama seien am Morgen fünf Menschen von den Regierungstruppen getötet worden. Unter den Opfern seien drei Söhne einer Familie im Alter von 14, 16 und 17 Jahren. Sie seien zusammen mit einem 48 Jahre alten Mann auf einem Bauernhof in der Ortschaft Schaisar erschossen worden. Seit Beginn der Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad sollen mehr als 10.000 Menschen getötet worden sein.
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