Syrien akzeptiert Friedensplan: Assad droht Gaddafis Schicksal
Dem Friedensplan der Arabischen Liga hat das syrische Regime uneingeschränkt zugestimmt. So richtig will das kaum jemand glauben.
KAIRO taz | Panzer, bestückt mit Maschinengewehren, haben am Mittwoch in der zentralsyrischen Stadt Homs das Feuer auf Demonstranten eröffnet. Nach Angaben der Opposition wurden dabei drei Menschen getötet. Am Dienstag waren nach Angaben des syrischen Oberservatoriums für Menschenrechte, das von London aus operiert, mehr als 20 Menschen getötet worden.
An ebendiesem Tag wurde der Deal zwischen der Regierung des syrischen Diktators Baschar al-Assad und der Arabischen Liga bekannt gemacht. Das syrische Regime gebietet demnach der Gewalt Einhalt, die Armee zieht ihre Panzer aus den Städten zurück und lässt die politischen Gefangenen frei. Überwacht werden soll das Ganze von Beobachtern der Arabischen Liga. Auch ausländische Journalisten sollen sich fortan frei im Land bewegen können.
Eine ernsthafte Initiative oder ein Versuch des syrischen Regimes, Zeit zu gewinnen? Die syrische Opposition kündigte an, den Deal spätestens nach den Freitagsgebeten durch große Demonstrationen zu testen und das Regime zu zwingen, Farbe zu bekennen. "Wenn sich die Armee zurückzieht, wäre das unsere Chance, friedlich in Massen gegen das Regime zu demonstrieren", meint Abdel Karim Rihawi, der Chef der syrischen Menschenrechtsliga im Kairoer Exil. Genau deswegen ist er skeptisch.
Tatsächlich kann es sich die Regierung nicht leisten, die Kontrolle über die großen Städte Damaskus und Aleppo zu verlieren. Diskutiert wird schon längst, was geschehen soll, wenn die Vereinbarung nicht hält. Der syrische Nationalrat, eine Art Dachorganisation mehrerer Oppositionsgruppen, fordert, dass die Arabische Liga in diesem Fall die Mitgliedschaft Syriens einfriert. "Das wäre ein gutes Exempel, auch international die Isolierung des Regimes voranzutreiben", glaubt Rihawi.
Damit steht al-Assad eigentlich vor einer Situation, in der er letztendlich nicht mehr gewinnen kann. Hält er sich an den Deal, verliert er die Kontrolle über das Land, verwirft er ihn, drohen ihm weitere internationale Sanktionen. Denn gerade Russland und China haben sich im UN-Sicherheitsrat bisher gegen weitere Sanktionen gestellt, auch mit dem Argument, dass die Arabische Liga Zeit bräuchte, um zu vermitteln.
Russland lobte immer wieder die konstruktive Rolle der Arabischen Liga. Und auch der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Hong Lei erklärte: "China unterstützt die konstruktive Rolle der Arabischen Liga, die Situation zu beruhigen und dabei die Interessen der arabischen Länder zu wahren." Wie werden sich China und Russland im UN-Sicherheitsrat verhalten, wenn das syrische Regime nun die Arabische Liga vor den Kopf stößt?
Eine Verschärfung der Gangart der Arabischen Liga gegen einen Mitgliedsstaat gab es schon einmal, als man den Vertreter Gaddafis ausschloss und sich nicht mehr gegen eine internationale Intervention aussprach. Blamiert Assad nun die Arabische Liga, indem er den von ihr angekündigten Deal ignoriert, riskiert er ein ähnliches Schicksal wie sein Diktatoren-Kollege Gaddafi.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
NGO über den Machtwechsel in Syrien
„Wir wissen nicht, was nach dem Diktator kommt“
Sturz des Syrien-Regimes
Dank an Netanjahu?
Unterstützerin von Gisèle Pelicot
„Für mich sind diese Männer keine Menschen mehr“
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Schwarz-Grün als Option nach der Wahl
Söder, sei still!
Trump und Selenskyj zu Gast bei Macron
Wo ist Olaf?