Syrien-Tagebuch Folge 14: Gefährliche Islamisten freigelassen
Der in Beirut lebende Aktivist Maher Esber (36) saß von 2006 bis 2011 in der syrischen Stadt Saidnaya im Gefängnis.
Die Stimmung im Gefängnis von Saidnaya stand mal wieder kurz vor der Explosion. Wir hatten in den Jahren zuvor mehrere Revolten organisiert, weil wir bessere Haftbedingungen wollten. Es endete jedes Mal mit einem Blutbad. Um Druck abzubauen, haben sie uns im März 2011 Radio und Fernsehen gebracht. Einen Monat später kamen wir säkulare Aktivisten und viele Kurden im Zuge einer Amnestie frei.
Die gefährlichsten Islamisten, die Takfiris (die andersdenkende Muslime zu Ungläubigen erklären), hatte das Regime schon im Februar 2011 freigelassen – vor der Revolution. Die Geheimdienste wussten, dass etwas passieren würde, und haben sich vorbereitet. Im März 2011 haben sie etwa 30 Salafisten pro Tag freigelassen, sie gehörten zu Al Qaida, Jund Al Sham oder der Fatah Al Islam. Viele dieser Leute sind nun Anführer von Brigaden, ich kenne sie aus Saidnaya.
Als Mitte März 2011 die Revolution begann, machte Assad von Anfang an radikale Gruppen für die Proteste verantwortlich. Er wollte nicht mit einem demokratischen Gegner konfrontiert sein, der Rechte beansprucht und auch nicht mit einfachen Bürgern, die legitime Forderungen stellen. Er behauptete deshalb, Syrien würde von al-Qaida und islamistischen Organisationen angegriffen. Diese Gruppen und ihre Verbindungen zum syrischen Geheimdienst kenne ich sehr gut, weil ich fünf Jahre mit ihnen zusammengelebt habe.
Die Geheimdienste haben diese Leute ausgesät wie Samen. Sie wussten genau, was daraus erwächst. Sie wollten, dass aus den Forderungen des Volkes Radikalismus, Konfessionalismus und Hass auf Minderheiten entstehen. Denn Radikalismus schafft immer einen Gegen-Radikalismus. Es hat geklappt, die Nusra-Front ist jetzt militärisch eine der stärksten Kräfte in Syrien.
Protokoll: Kristin Helberg
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss