: Synergie ist der Zuschauer
Am Wochenende beginnt in Bochum die RuhrTriennale mit einem Fest unter Pappeln. Intendant Jürgen Flimm hat auch endlich Ersatz für die ausgefallene Produktion mit Veronica Ferres gefunden
VON PETER ORTMANN
Die RuhrTriennale ist ein Solitär in der nordrhein-westfälischen Kulturlandschaft. Sie hat Geld und sie hat genügend Zuschauer. „Wir machen uns keine Sorgen mehr, dass sich hier irgendwas nicht verkauft“, sagt Jürgen Krings, Geschäftsführer der KulturRuhr GmbH, der NRW-Gesellschaft, die das Festival seit vier Jahren ausrichtet. Bereits jetzt seien 70 Prozent der Karten weg.
Wer also noch dabei sein will, muss sich sputen, denn am Samstag geht es an der Jahrhunderthalle bereits los, mit einem Fest mit Pappeln. Für insgesamt 160 Bäume am Eingang des neuen Barockgartens neben Bochums heiligem Vorzeige-Altbau, können Patenschaften übernommen werden. Doch auch die sind bereits fast ausverkauft. Kultur boomt in NRW. „Sie ist einer der ganz großen Wirtschaftsfaktoren im Land“, sagte Ministerpräsident und neuer „Kulturminster“ Jürgen Rüttgers (CDU) in Düsseldorf bei der Amtseinführung von Fritz Schaumann, dem neuen Präsidenten der Kunststiftung NRW. „Ohne RuhrTriennale gäbe es auch die Kulturhauptstadt Essen nicht“, sagte sein Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) gestern in Gladbeck. Er meinte aber bestimmt das Ruhrgebiet in 2010.
Traditionell gibt der Intendant ein paar Tage vor dem Staat des Festivals die letzten News persönlich weiter. Jürgen Flimm machte das in der Gladbecker Maschinenenhalle, wo der niederländische Regisseur Johan Simons gerade noch „Das Leben ein Traum“ nach Pedro Calderón de la Barca probt. Erst am Vormittag hatte der zweite Intendant der RuhrTriennale ein Problem gelöst: Nach der Absage der Schauspielerin Veronica Ferres für ihre Rolle im Stück „Courasche“ von Büchner-Preisträger Wilhelm Genazino gab es Löcher im Spielplan. Die werden nun mit Wolfgang Amadeus Mozart-Abenden feingestopft. Von den Salzburger Festspielen übernimmt Flimm „Ich küsse sie 100.000 Mal“ mit Sunnyi Melles und „Elfenbeinwunder im tiefen dunklen Tal“ mit Tobias Moretti. „Das könnte die Vroni gut ersetzen“, sagte er. Ansonsten freue er sich schon auf die Eröffnung in Bochum mit den Pappeln. Das die irgendwann wegen Baumaßnahmen wieder weichen müssen, wie jetzt befürchtet wird, bezweifelt Flimm grinsend. Der Triennale-Freundeskreis-Vorsitzende und ehemalige NRW Kulturminister Michael Vesper (Grüne) habe ihm versichert, sich dort umgehend anzuketten.
„Ich werde hier mit großer Trauer weggehen“, sagt Flimm, der ab Oktober parallel die Salzburger Festspiele leitet. Die RuhrTriennale sei ein einzigartiges Festival in der Welt. Momentan wird überlegt, die Frequenz für die Intendanten zu erhöhen, sie unter Umständen für fünf Jahre zu verpflichten. „Ich könnte mir eine Durchbrechung des Zeitrahmens vorstellen“, sagt Große-Brockhoff, der darüber bereits mit der nächsten Intendantin Marie Zimmermann gesprochen hat. Der Staatssekretär glaubt auch an die Nachhaltigkeit und die erhofften ökonomischen Synergieeffekte des Festivals, dass damit der Erhalt solcher Industriekultur-Hallen wie in Bochum und Gladbeck gesichert werde. „Nur so können wir die mit neuem Leben erfüllen“.
Jürgen Flimm glaubt nicht an Synergieeffekte für die Region jenseits von Kultur. „Alles Quatsch“, sagt er. Diese Gedanken gehörten längst in den Papierkorb. Die RuhrTriennale würde in erster Linie ein sehr gutes Programm machen und ein neues Publikum ansprechen, das auch noch noch weit her anreise. Denn das Festival habe sich weltweit herumgesprochen. Den Theaterhäusern in den Städten würde auch kein Publikum weggenommen: „Ganz im Gegenteil, wir führen denen neue, junge Besucher zu“. „Ich bin dankbar in diesen Industrie-Hallen arbeiten zu dürfen“, sagt Regisseur Johan Simons. Die RuhrTriennale bleibt also ein Solitär in der nordrhein-westfälischen Kulturlandschaft. Gut so.