Sympathischer Wohlklang

Eine Freude älterer Erwachsener: Für sie ist die stimmungsvolle Musik der jungen Norah Jones genau richtig. 3.000 Menschen lauschten im Tempodrom der mit vielen Grammys ausgezeichneten Sängerin

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Norah Jones ist 24 Jahre alt. Sie hat letztes Jahr acht Grammys gewonnen, ihr Debütalbum „Come away with me“ wurde etwa 10 Millionen Mal verkauft.

Zuerst war ihr Hit „Don’t know why“ gar nicht so schlimm, aber beim wiederholten Hören gewann er immer mehr an flacher Süßlichkeit, wurde die Melodie immer voraussehbarer, wirkte das kindlich-laszive Timbre immer berechnender. Musik für Leute, die sich nicht besonders für Musik interessieren, es aber durchaus als angenehm empfinden, wenn im Hintergrund etwas Stimmungsvolles läuft. Ambient eben.

Deshalb lief das stimmungsvoll gehauchte „Don’t know why“ auch sehr oft in der täglichen Serie „Verbotene Liebe“. Während dort die jungen WG-Bewohner The Strokes, Adam Green und manchmal Tocotronic hörten, lief im Edelrestaurant „Schneiders“ immer Norah Jones, und dort passte es auch sehr gut hin. Norah Jones ist Musik für ältere Erwachsene und früh vergreiste junge Erwachsene, besonders recht erwachsene Männer erfreuen sich an der natürlichen Sängerin. Das wirkt sich auch auf die Plattenverkäufe positiv auf, denn diese Zielgruppe kann oder mag nicht downloaden und brennen, gibt also noch Geld für Musik aus.

Norah Jones verkörpert für diese Käuferschicht das Bild der Musikerin, wie sie sein soll. Sie ist keine Gettobraut, keine Rockbitch, keine anstrengende Sexperformerin, kein aufgedrehter Problemteenie, sie ist eine zarte Mädchenblume. Gegen andere Klavier spielende Sängerinnen wie Kollegin Alicia Key, einer Angeberin vor dem Herrn, hebt Norah Jones sich wohltuend ab. Sie macht kein großes Theater um sich, ihr Talent, ihren Vater Ravi Shankar, ihren Erfolg.

So kamen am Sonntagabend mehr als 3.000 Menschen ins ausverkaufte Tempodrom. Wie nicht anders erwartet, wirkt Norah Jones sehr sympathisch und natürlich. Sie und ihre „Handsome Band“ kommen unprätentiös auf die Bühne, gehen zu den Instrumenten und spielen countryesken Old-School-Rythm and Blues, Jazz-inspirierte Countrysongs und Blues-angereicherte Folkballaden.

Wenn mal beim braven Improvisieren die Noten zu „blue“ werden oder es zu sehr nach Jazzkonservatorium klingt, kommt Unruhe im Zuschauerraum auf, aber das geht schnell vorbei. Die Natürlichkeit der Norah Jones ist natürlich und ganz anders als die schwitzige Authentizität des Rockstars. Sie sieht lieb und gut aus, hat romantische Locken und liebe braune Augen, trägt einen romantisch schwingenden, langen Rock. Auf der Bühne scherzt sie mit den Bandkollegen, kichert unvermittelt ins Mikrofon. Sie lobt das Publikum, diese „special sparkling things“, Wunderkerzen, mitgebracht zu haben, philosophiert immer wieder über das bauliche Rund der Innenarena: Das wäre ja wie ein Zirkus, sehr schön, das gefällt ihr, wie im Zirkus käme sie sich vor, sehr interessanter Raum, ob das hier so extra wie im Zirkus gebaut wäre, „you know what I’m talking about?“.

Das Publikum schweigt verdruckst, aber die gute Norah kann ja nichts von der leidigen Tempodrom-Geschichte wissen. Dann wird wieder musiziert, Norah am Piano und der Wurlitzer Orgel, die Männer an Kontrabass, Schlagzeug und Gitarre. So sitzt man da, lauscht dem Wohlklang und sieht der jungen Frau und den älteren Männern an den Instrumenten zu, und es ist gar nicht schlimm, ganz angenehm, ein bisschen einschläfernd vielleicht, aber ganz okay. Nur am Ende wünscht man sich, diese sympathische, junge Frau hätte lebendigere, jüngere Leute um sich herum und würde sich in einem lebendigeren, jüngeren Genre bewegen und müsste ihre Jugend nicht so altbacken verschwenden.