Sven-Michael Veit über den Abstieg des Hamburger SV: Dieser penetrante Modergeruch
Endlich ist es vollbracht. Seit zehn Jahren etwa hat der einst so ruhmreiche Hamburger Sportverein unermüdlich daran gewerkelt, das Erbe Uwe Seelers zu verschleudern, nun hat es mit der Selbstentleibung geklappt. Statt Dortmund oder Bayern werden in der nächsten Saison Sandhausen und Paderborn das Volksparkstadion füllen. Und es ist noch lange nicht ausgemacht, dass es nur für eine Spielzeit sein wird.
Dieser Klub ist vollständig marode. Aufsichtsräte, Präsidenten, Vorstände wurden im Dutzend vom Hof gejagt, Sportchefs und Trainer wechselte der HSV häufiger als so mancher Fan seine Socken, und dennoch verströmt der Verein mit der Raute dort, wo andere ein Herz haben, einen penetranten Modergeruch. Mit ein bisschen Durchlüften, um das gleich klarzustellen, wird es nicht getan sein.
Dieser Verein braucht zunächst einmal eine Strategie, sportlich wie wirtschaftlich. Er muss die Abhängigkeit vom reichen Onkel Klaus-Micheal Kühne beenden und sich aus sich selbst neu erfinden. Er braucht ein sportliches Kompetenzteam, das nicht Jahr für Jahr Abermillionen für unterdurchschnittliche oder bejahrte Ex-Helden verballert, sondern ein junges, unverbrauchtes Team zusammenstellt.
Und er braucht ein Management, das nicht in unheiliger Allianz mit Hamburger Revolverblättern Intrigen spinnt und von unerreichbaren Erfolgen phantasiert. Kurz: Der HSV braucht eine glaubwürdige Grundlage, auf der Entscheider am selben Strick in dieselbe Richtung ziehen.
Klingt fast so simpel wie die Weisheit, dass das Runde ins Eckige müsse und die Wahrheit auf dem Platz liege. Fußball ist auch ein einfaches Spiel, und einen Sportverein zu führen, der ein mittelständisches Unternehmen ist, ist auch kein Zauberwerk. Dafür nötig sind eine Idee, eine Menge Arbeit und nicht zuletzt Honorigkeit. Und vor allem an Letzterer hat es im angeblichen Honoratiorenverein seit vielen Jahren gefehlt. Der HSV braucht Anstand.
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