Sven Giegold will ins Europaparlament: Attac-Gründer wird Grüner
Attac ist wenig überrascht: Einer der führenden Köpfe des globalisierungskritischen Netzwerks will für die Grünen ins Europaparlament wechseln.
Vorausgesagt worden war schon oft, dass es Attac-Gründer Sven Giegold in die Politik drängen könnte. "Der sitzt bestimmt bald im Kabinett", sagten die Zuhörer oder Diskussionspartner von Sven Giegold nach seinen Auftritten regelmäßig. "Oder wenigstens im Bundestag." Nun will der prominenteste Attac-Vertreter, der die Organisation bisher bei Sozialforen ebenso repräsentierte wie bei Sabine Christiansen, Abgeordneter werden - allerdings nicht in Berlin, sondern in Brüssel. Und nicht bei der Linkspartei, die zuletzt vielen Globalisierungskritikern eine neue Heimat gegeben hatte, sondern bei den den Grünen.
Für die Europawahl im nächsten Jahr bewirbt sich der 38-Jährige bei der Partei um ein Mandat in Nordrhein-Westfalen. Da der bisherige männliche NRW-Abgeordnete Frithjof Schmidt nicht wieder antritt, werden Giegolds Chancen auf die Nominierung als sehr gut eingeschätzt. NRW-Parteisprecherin Andrea Rupprath legt zwar Wert darauf, "dem Votum der Basis nicht vorzugreifen". Doch zugleich macht die Parteiführung deutlich, wie hoch erfreut sie ist über die Kandidatur: Giegold stehe für die "Offenheit der Grünen zu außerparlamentarischen Bewegungen", sagte die Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger.
Bisher war Giegold parteilos, nun wird er bei den Grünen eintreten. Auch sonst wird sich sein Leben ändern, wenn er ins Europaparlament einzieht: Bisher lebt er von wenigen hundert Euro im Monat, die er durch seine Vorträge verdient und von der Bewegungsstiftung erhält. Als Abgeordneter würde er über Diäten von rund 7.000 Euro verfügen.
Giegolds Attac-Mitstreiter zeigen sich nicht überrascht über den Wechsel in die Politik: "Diesen Schritt habe ich seit Längerem erwartet", sagt etwa Peter Wahl, der mit Giegold jahrelang im obersten Attac-Gremium zusammensaß, dem Koordinierungsrat. "Sven Giegold ist ein talentierter junger Mann, der auch für sich persönlich noch Zukunftspläne hat." Den Schritt zu den Grünen hält Wahl ebenfalls für konsequent: "Sie waren das Naheliegende."
Obwohl Giegold eher die Linken bei den Grünen verstärken dürfte, begrüßen auch viele Realos seine Kandidatur. Sie habe bisher "inhaltlich ganz gut" mit Giegold zusammengearbeitet, sagt etwa Finanzexpertin Christine Scheel. "Beim Kampf gegen die Steueroasen sind wir uns einig."
Die Linken im Europaparlament hingegen bezweifeln, dass Giegold tatsächlich so gut zu den Grünen passt. "Er wird es in der Fraktion sehr schwer haben", meint etwa Tobias Pflüger, der als Attac-Mitglied seit 2004 für die Linken im Europaparlament sitzt. "Mit einem klaren globalisierungskritischen Profil ist man bei den Grünen falsch."
Giegolds Wechsel in die Politik wird auch auf Attac Rückwirkungen haben: "Einer der besten Köpfe geht", sagt Stephan Schilling aus dem Koordinierungskreis. Zwar will sich Giegold punktuell noch an Attac-Aktionen beteiligen, doch kann er nicht mehr der fernsehtaugliche Vertreter in allen Talkshows sein.
Von außen betrachtet, scheint Giegolds Wechsel zu den Grünen in ein Muster zu passen: Auch bisher schon ist der Einfluss der Grünen bei Attac nicht zu unterschätzen. Allein im Koordinierungskreis sitzen bereits drei Grüne. Dennoch befürchten auch die eher linken Attac-Mitglieder nicht, dass die Grünen langfristig die Übermacht bei den Globalisierungskritikern gewinnen könnten: "Die Gefahr einer grünen Übernahme sehe ich überhaupt nicht", meint etwa Peter Wahl. Bei den Mitgliedern sei es "ein weit verbreiteter Grundkonsens", Distanz zu allen Parteien zu halten. Wahl betont stattdessen die langfristigen Aussichten: Giegolds Wechsel sei ein "strategischer Beitrag für die Option auf Rosa-Rot-Grün".
Giegold ist allerdings nicht der einzige bisher außerparlamentarisch Aktive, der für die Grünen nach Brüssel will. Auch die Generalsekretärin von amnesty Deutschland, Barbara Lochbihler, hat bereits bekannt gegeben, dass sie für die Grünen fürs EP kandidieren will. Vor allem möchte sie sich dort für Menschenrechte und Abrüstung einsetzen. "Armeen können ein politisches Problem nicht beseitigen", sagte sie im Juli bei ihrer Vorstellung.
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