Susanne Messmer schwelgt im Duft der Lindenblüte: Der schönste Stadtbaum hier
Zuerst blühten die Kastanien, dann die Robinien. Seit einiger Zeit steht nun die Linde, der Baum mit den herzförmigen Blättern, in voller Blüte. Mit fast einem Drittel aller Bäume ist die Linde der wichtigste Stadtbaum Berlins.
Der Duft der Linde ist der schönste, den die Natur zu bieten hat, er ist ebenso süß wie frisch – erinnert ein wenig an geschnittenes Gras oder frisch gebügeltes Leintuch. Nicht ohne Grund ist der Lindenblättertee, der gut gegen Fieber und Aufregung helfen soll, selbst bei den sonst eher wählerischen Kindern beliebt. Und wer wie ich in einer Straße voller Linden wohnt, die noch dazu von unterschiedlicher Sorte sind und also nicht alle auf einmal blühen, der hat mitunter das Gefühl, für ein paar herrliche Wochen im Jahr in einem Honigtopf zu hausen. Ein schon deshalb passendes Bild, weil die Linde auch von Imkern geschätzt wird: als eine der ergiebigsten Bienenweiden.
In diesen Breitengraden galt schon bei den alten Germanen und den Slawen nicht etwa die Eiche, sondern die Linde als einer der wichtigsten Bäume. Die Linde war heilig, unter Linden wurden auch später noch lange Dorffeste gefeiert und Gericht gehalten. Naturdenkmäler wie die etwa 300 Jahre alte Dorflinde in Mahlsdorf (Stammumfang 4,45 Meter) und die etwa 500 Jahre alte Dorflinde in Alt-Kladow (Stammumfang 5,12 Meter) zeugen davon.
Ungefähr 850 Orte in Deutschland tragen Namen, die auf den Lindenbaum zurückzuführen sind – der Name der Stadt Leipzig zum Beispiel hat mit dem sorbischen Wort Lipsk zu tun und bedeutet Linden-Ort.
Auch in Berlin ist die Linde ein symbolischer Baum: Immerhin ist unsere Champs-Élysées, unser Newski Prospekt nach dem schönsten aller Bäume benannt. Es sagt viel über das Traditionsbewusstsein der Berliner aus, dass vor vier Jahren 54 der 304 Alleebäume Unter den Linden zwischen Komischer Oper und Staatsoper abgeholzt wurden: wegen des Baus der neuen U-Bahn.
Kann aber auch sein, dass unter den Baumkillern Leute waren, die sich regelmäßig über die klebrigen Ausscheidungen der Blattläuse auf ihren Windschutzscheiben oder Fahrradsätteln ärgern, wenn sie unter Linden parken. Denn dies ist das einzige Argument, das gegen Linden spricht: Auch die Läuse lieben ihre Linden über alle Maßen.
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